Rückblick auf die WdC Daily Keynote vom 24.03.2023 Recruiting im Consulting – Wie soll das zukünftig noch funktionieren?

Der Kampf um Talente hat längst auch die Consultingbranche erreicht. 410.000 neue Consulting-Arbeitsverträge müssten bis 2030 laut Professor Thomas Deelmann ausgestellt werden, um den Personalbedarf zu decken. Doch das Branchenwachstum wird schon heute durch den Mangel an Fachkräften ausgebremst. Wo sollen die ganzen Talente also herkommen und auf welche Art und Weise rekrutiert werden? Was müssen Unternehmen tun, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?

Bewerbungsgespräch (Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Monique Wüstenhagen)

Passende Bewerberinnen und Bewerber zu finden, wird auch in der Consulting-Branche immer schwieriger. (Bild: picture alliance / dpa Themendienst | Monique Wüstenhagen)

Alexander Kolberg, Redakteur bei CONSULTING.de, diskutierte bei der Woche des Consultings mit Cordelia Sippel (Alvarez & Marsal), Daniel Nerlich (Odgers Berndtson) und Moritz Neuhaus (Insight Consulting) über die aktuelle und zukünftige Lage am Personalmarkt der Consultingbranche. Dies sind die zentralen Erkenntnisse.  

Aktuelle Arbeitsmarktsituation 

Neben der ohnehin schon herausfordernden Aufgabe, geeignete Bewerbende für eine Position zu finden, bestehe eine weitere Schwierigkeit darin, dass sich Bewerbende oftmals nicht nur in einem, sondern zeitgleich in mehreren Bewerbungsprozessen befinden, meint Cordelia Sippel. So springen Kandidaten nicht selten kurz vor einer Zusage für ein lukrativeres Angebot vom Wettbewerber ab. Doch mit diesen Hürden sehen sich Unternehmen schon seit mehreren Jahren konfrontiert, so Daniel Nerlich. Zusätzlich bereitet der demografische Wandel und der zunehmende Trend, sich selbstständig zu machen, der Branche aktuell Sorgen, meint Moritz Neuhaus:  

Wir haben einen demografischen Wandel, über den schon seit Jahrzehnten gesprochen wird, der jetzt aber spürbar wird, weil die Zahl der Erwerbsfähigen anfängt, zu schrumpfen."

Unternehmen seien zudem noch mehr gefordert, zu zeigen, warum man bei ihnen arbeiten sollte – vor allem in Zeiten, in denen es nicht mehr nur um das Gehalt und das Logo an der Wand bei der Arbeitsplatzwahl geht und es gleichzeitig noch nie so einfach war, sich selbstständig zu machen.  

Besonders nachgefragte Profile 

Die Profile, die laut den drei Experten besonders im Consulting gebraucht werden, spiegeln einige aktuelle Trends in der Gesellschaft wider. So sind insbesonders Beratende, die sich mit Themen wie digitale Transformation, Performance Improvement, Restrukturierung und Private Equity auskennen, gefragt.  

Zusätzlich spielt das Thema Gender Diversity in Unternehmensberatungen zunehmend eine Rolle, weshalb stark nach Frauenprofilen gesucht wird: 

Wir sind insbesondere auf Partner- und Gesellschafterebene absolut schlecht besetzt, was Frauen betrifft"

, so die Einschätzung von Daniel Nerlich. Dafür verantwortlich ist unter anderem der Babyboomer-Generationenwandel, der jetzt ansteht. Allerdings sei der Bedarf auf den höheren Ebenen generell sehr hoch. So sind insbesondere Senior Consultants mit drei bis vier Jahren Erfahrung begehrt.  

Doch auch im Marketing sei die Rekrutierung zunehmend schwer, denn das Marketingtool Personal Branding steht für viele Unternehmen aktuell als eine Differenzierungsmöglichkeit hoch im Kurs:  

Der Beratermarkt ist von der Kandidatenperspektive aus sehr homogen, deshalb muss man als Unternehmen Persönlichkeit zeigen und sich abgrenzen von den anderen Arbeitgebenden.

, sagt Moritz Neuhaus. So wollen sich Arbeitssuchende oftmals im Voraus über die Unternehmenskultur und den Chef, ob dieser zum Beispiel in die Mitarbeitenden investiert, online erkundigen.  

Letztlich wird jedoch eine ganze Bandbreite an Profilen gesucht, von Ingenieuren über Informatiker, sind sich Frau Sippel und Herr Neuhaus einig. Deshalb sollten Unternehmen, so Frau Sippel, nicht nur ein Auge auf Bewerbende, die klassisch BWL studiert haben, richten. 

Quereinsteiger im Consulting 

Moritz Neuhaus zufolge gibt es immer mehr Menschen, die in die Consulting-Branche quereinsteigen wollen. Für Frau Sippel und Herr Nehrlich ist das vor allem über die Senior Ebene hinaus, auf der es primär um eigenständiges Projektmanagement geht, nur schwer umsetzbar: „Ohne eine gewisse Consulting-Erfahrung ist es eigentlich nur machbar auf unteren Ebenen und auch da nur mit einer gewissen Einarbeitung. Alles darüber geht ohne Erfahrung im Beratungsbereich nicht.“  

Trotz dessen sollte die Nachfrage von Quereinsteigern ernst genommen werden, findet Moritz Neuhaus:

Wir werden in den nächsten Jahren alle Register ziehen müssen, und Beratungen werden gar keine andere Möglichkeit mehr haben, um weiter zu wachsen. Wenn die Ressource Mensch knapp wird, dann werden wir Maßnahmen ergreifen, die wir in der Beratung noch nie gesehen haben.

Diversity als Abgrenzung? 

Um sich am Arbeitsmarkt abzugrenzen, spielt laut Cordelia Sippel das Thema Diversity eine große Rolle.

Es ist immer noch so, dass man auf die Webseite klickt und dort die klassischen männlichen Berater vertreten sind"

, so ihre Wahrnehmung. Außerdem seien flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien entscheidende Aspekte. Moritz Neuhaus hat jedoch einen Einwand im Hinblick auf Diversity: Unternehmen sollten nichts vermarkten, das sie nicht repräsentieren können.

Ja, die Leute werden abgeschreckt, wenn sie da alte weiße Männer sehen, wenn das aber die Struktur ist […] dann ist das aus meiner Sicht kein Abgrenzungsfaktor, sondern ein Hygienefaktor.

Wichtige Aspekte für Bewerber 

Doch was sind eigentlich Hindernisse, sich zu bewerben? Daniel Nerlich erzählt, dass lange Zeit das Gehalt in der Unternehmungsberatung ein sehr entscheidender Faktor gewesen sei. Allerdings bieten Industrieunternehmen heutzutage zunehmend das gleiche Gehalt an wie Unternehmensberatungen.

Da stellt sich umso mehr die Frage: Warum soll ich dann eigentlich noch in der Beratung bleiben?"

, schlussfolgert Nerlich. Zudem habe Corona neue Aspekte mit sich gebracht. Viele Consultants, die vorher gerne unterwegs gewesen sind, möchten jetzt einen anderen „Lifestyle“ führen und lieber in der Nähe ihrer Heimat bleiben, Flexibilität sei deutlich wichtiger geworden, so Nerlich. 

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Active Sourcing als Königsweg 

Die Experten sind sich einig, dass Active Sourcing die wichtigste Recruiting-Maßnahme sei. Kandidaten direkt über Kanäle wie LinkedIn anzusprechen, funktioniere sehr gut, so Cordelia Sippel. Klassische Jobanzeigen sind ihrer Erfahrung nach weniger erfolgreich.

Wir bekommen zwar eine große Massen an Bewerbungen jeden Tag, aber nicht die Bewerber, die wir tatsächlich in den Prozess bringen können"

, so ihr Fazit. Auch Nerlich ist der Meinung, dass eine passive Vorgehensweise den gezielten Bedarf nicht decken kann. Talent Aqcuisition Teams werden dabei in Unternehmen laut Nerlich immer wichtiger.

Ich glaube, es kommt auf den extrem bunten Mix an. Der sollte idealerweise aktiv und sehr individuell sein, sehr persönlich – und alle an diesem Prozess Beteiligten sollten Experten sein."

Außerdem müsse der direkte Vorgesetzte früher in den Prozess miteinbezogen werden und nicht erst am Ende, erklärt Nerlich. Moritz Neuhaus ergänzt, dass Timing sehr entscheidend sei. Außerdem müsse Employer Branding auch auf andere Kanäle als LinkedIn gehen, die Karriereseite eines Unternehmens spiele dabei eine ganz große Rolle. 

Allerdings besteht beim Active Sourcing die Gefahr, dass sich Leute davon genervt oder überschwemmt fühlen könnten. Daniel Nerlich empfiehlt deswegen, dass Kandidaten am besten telefonisch oder persönlich angesprochen werden sollten. Es komme zudem sehr auf das Storytelling an und Personen dort abzuholen, wo sie wirklich sind. Dabei sollten Unternehmen eher auf unerwartete Kanäle statt auf LinkedIn, Xing und Co. setzen, so auch seine Einschätzung. 

 

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