Grenzgänger: Kolumne von Dr. Björn Stüwe Sind Berater ihr Geld wert?

Bis vor kurzem konnte man auf Partys noch stolz mit seiner Beratertätigkeit angeben - heute verschweigt man diese Profession, die vom Image her mittlerweile kurz hinter dem Investmentbanker kommt, eher verschämt. Nicht erst seitdem ein Untersuchungsausschuss die fragwürdigen Beratungstätigkeiten im Verteidigungsministerium untersucht, leidet das Renommee des ratgebenden Berufsstands. Dr. Björn Stüwe, Stuewe Consulting, in seiner aktuellen Kolumne.

Emotionale Wucht und schleichender Imageverfall

Auch wenn es früher schon Zyklen der Image-Auf- und Abwertung gegeben hat, ist der aktuelle Image-Abschwung besonders heftig. Klar, wenn man hört, dass allein das Verteidigungsministerium im letzten Jahr für 200 Mio. € Beraterleistungen in Anspruch genommen hat und insgesamt sogar 3 Mrd. € pro Jahr durch staatliche Stellen an McKinsey, BCG, Berger und Co. gezahlt werden, ist die Skepsis des unbeteiligten Betrachters vorprogrammiert. Aber woher rührt die emotionale Wucht beim aktuellen Umschwung in der öffentlichen Bewertung des Unternehmensberaters?

Zunächst einmal ist die Misere kein plötzlich auftretendes Phänomen, sondern eher ein schleichender Verfall. Wer in den letzten Jahren aufmerksam in private Wirtschaftsunternehmen und öffentliche Institutionen reingehört hat, konnte die Warnrufe deutlich vernehmen. Da war von Berater-Eunuchen die Rede, die zwar alles analysieren und konzipieren können, aber noch nie selbst unternehmerisch tätig gewesen sind. Der Einsatz von Praktikanten oder Berufsanfängern als Experten mit hohen Tagessätzen wurde als "Jugend forscht"-Phänomen gegeißelt und das intransparente Abarbeiten von langfristigen Rahmenverträgen roch streng nach Vetternwirtschaft und Abrechnungsbetrug. Auch das befremdliche Auftreten einiger Standesvertreter heizte die Missstimmung an: Allmachts-Hybris (das Manager Magazin hat sogar ein Hybrisranking für Berater aufgestellt) gepaart mit arrogantem Habitus machen hohe Tagessätze umso unsympathischer. 

Sind Berater ihr Geld wert?

Und die aufbrandende Diskussion trifft die Beratungsbranche in ihrer Kernfrage: sind Berater ihr Geld wert? Dabei leisten Berater sowohl für Unternehmen als auch für den öffentlichen Sektor wertvolle Beiträge. Insbesondere im Zuge der aktuellen Transformation von Organisationen, Geschäftsmodellen und Prozessen. Berater können z. B. Projekten eine professionelle Tiefe verleihen, die eine sich transformierende Organisation in dieser Güte oft nur temporär benötigt. Darüber hinaus ist die Intensität mit der Berater Projekte bearbeiten für die disruptive Transformation eines Unternehmens durchaus sinnvoll, für das nachfolgende operative Geschäft ist sie oft aber eher hinderlich. Und gerade weil im Rahmen der Transformation Denk- und Handlungsmuster aufzubrechen sind, braucht es ein Maß an Provokation, das ein außenstehender Berater besser liefern und aushalten kann, als ein Mitarbeiter, der nach dem Projekt mit den Projektbeteiligten weiterarbeiten muss. Berater können also neben ihrer Rolle als fachlicher Experte auch als Aversionspuffer und sozialer Blitzableiter für den Projekterfolg förderlich sein. 

Um diese positiven und wertvollen Funktionen auszuüben, müssen Berater aber auch von einigen liebgewonnenen Gewohnheiten lassen. Man sollte nicht nach jedem verfügbaren Projektbudget schnappen und nicht immer universelle Kompetenz vorgeben, sondern auch mal zugeben, dass man von bestimmten Sachfeldern keine Ahnung hat. Oder dass im Rahmen von Make or Buy Entscheidungen gegebenenfalls die unternehmensinterne Lösung die bessere sein kann. Auch auf das weitverbreitete Bullshit Bingo durch inhaltsleere Fachbegriffs- und Methodenverwirrung sollte vermieden werden. Damit ist nicht gemeint, dass man auf Fachsprache und professionelle Methodik zugunsten trivialer Vereinfachung verzichten soll. Doch die Mischung aus mentalem Skorbut und verbaler Inkontinenz ist kein Ersatz für echte Lösungskompetenz. Darüber hinaus sollten Berater daran arbeiten nach Projektabschluss obsolet zu sein. Andauernde Anschlussprojekte tragen wenig zur Glaubwürdigkeit bei. 

Authentische Beratung

Glaubwürdigkeit und Authentizität sind aber Schlüsselfaktoren der Beratungsbranche, da Beratung ein Erfahrungsgut mit Vertrauensvorschuss ist. Authentizität bedeutet einerseits können, was man verspricht (Kompetenz) und andererseits sagen, was man meint (Integrität). Das heißt zum Beispiel, dass wenn man diktatorische Regime oder umweltzerstörende Konzerne berät, man auch zugibt, es aus monetären Gründen zu tun und nicht humanistische oder ökologische Gründe vorgaukelt. Das beleidigt nur die Intelligenz des Auditoriums. Authentische und transparente Beratung, und nicht das Ausnutzen aktueller Verunsicherungen in Wirtschaft und Öffentlichem Sektor, ebnet einen dornigen aber erfolgsträchtigen Weg, um das Image des Beraters wieder aufzupolieren. Frei nach Goethe: Auch aus Steinen, die man uns in den Weg legt, lässt sich etwas Sinnvolles bauen. 

Zum Autor: Dr. Björn Stüwe ist der Rocker unter den Beratern. Der promovierte Betriebswirt machte Ende der 90er und in den 00 Jahren als Sänger und Gitarrist der Metal-Band "Dante's View" die Republik unsicher. Daneben baute er als geschäftsführender Gesellschafter die Marketing Verbund Gruppe auf. Björn Stüwe ist seit 1996 als Strategie- und Marketingberater tätig und ist heute Geschäftsführer von Stuewe Consulting in Köln. Seine Kolumne erscheint monatlich auf CONSULTING.de

 

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