The Consultant Hunter Team Hiring im Consulting– Wachstumsmultiplikator oder riskante Wette?

Unternehmensberatungen wachsen über Köpfe. Diese Binsenweisheit gilt noch so lange, bis das Consulting-Geschäft immer stärker eigenes Intellectual Property (zum Beispiel Software) generiert und den Umsatz zunehmend von den einzelnen Beratern und Beraterinnen entkoppeln kann (zum Beispiel über Lizenzmodelle). In der absehbaren Zukunft werden jedoch Beratungsdienstleistungen im Kern von kompetenten Wissensarbeitern erbracht, die für ihre Arbeit vom Projektkunden entlohnt werden. Das Unternehmenswachstum einer Beratung steht und fällt also ganz zentral mit dem Gewinnen der richtigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Neben der Akquisition ganzer Unternehmen und dem Rekrutieren vereinzelter Köpfe (gerne auch „Lateral Hiring“ bezeichnet) ist das Team Hiring ein naheliegender Ansatz, für den sich viele gute Gründe finden lassen.
Eine Vielzahl verlockender Vorteile
Aus Sicht der einstellenden Unternehmensberatung lassen sich mit Team-Hiring-Initiativen neue Geschäftsbereiche zügig aufbauen, verstärkte Fluktuation in bestimmten Geschäftsbereichen lässt sich mit einem Schlag ausgleichen. Ohne lange Aufbauarbeit gewinnt man im besten Fall ein performantes Team, das sofort wirksam zum Einsatz kommen kann. Der Kopf des Teams, häufig Partner oder eine Ebene darunter, läuft nicht Gefahr, in einen „Schweinezyklus“ zu geraten: Würde die Person alleine starten, müsste sie Projekte akquirieren und sich, zumindest zu Beginn, verstärkt in die Umsetzung dieser einbringen. Wenn sich dann jedoch die Rekrutierung neuer Mitarbeiter auf den junioren Levels verzögern sollte, bleibt der Umsatzbringer in den laufenden Projekten gefangen und kann sich nicht ausreichend um Neugeschäft kümmern. Leider haben viele Unternehmensberatungen aus besagtem Grund schon zahlreiche solcher „Lateral Hires“ scheitern sehen. Dies ist einer der entscheidenden Aspekte, weshalb die Rufe nach ganzen Teams immer lauter werden.
Ein möglicher Sprung nach vorne fürs ganze Team
Doch auch aus Sicht der Teammitglieder kann ein gemeinschaftlicher Arbeitgeberwechsel sinnvoll sein: Idealerweise wechselt man zu einer noch besser am Markt positionierten Beratung oder baut mit Top-Management-Aufmerksamkeit eine neue Business Unit an neuer Wirkungsstätte auf. Das einzelne Teammitglied kann auf diesem Weg eine zusätzliche, evolutionäre Lernkurve vollziehen. Man bleibt in einem eingespielten Team, das sich schätzt und vertraut, und kann zugleich eine neue Organisation mit eigenen Spielregeln und eigener Kultur kennenlernen. Ein „schonender“ Weg, sich selbst in einem neuartigen Kontext weiterzuentwickeln.
Zu guter Letzt lassen sich aber in der Regel auch die Gehälter eines jeden Teammitglieds signifikant verbessern. Besonders im Kopf geblieben ist mir ein Teamwechsel, bei dem weit mehr als zwanzig Berater und Beraterinnen von der einen zur anderen Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wanderten. Zwar haben diese Häuser typischerweise strikte Vorgaben, welche Gehaltsbänder pro Senioritätslevel anzulegen sind. Da man die neuen Teammitglieder jedoch im Zweifel einfach beförderte – selbst wenn dies wiederum nicht den üblichen Anforderungen an die Berufserfahrung entsprach – konnten sich am Ende alle über zwanzig bis dreißig Prozent Gehaltssteigerung freuen. Macht man sich allein auf den Weg, fällt dieser Zuwachs üblicherweise geringer aus.
Wenn das ganze Team wechselt - Alles rechtens?
Doch wie sieht es auf der legal-juristischen Seite aus? Sind Team-Abwerbungen mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar? Jein. Auch wenn das Abwerben fremder Mitarbeiter grundsätzlich zulässig ist und für die Personalrekrutierung die freie Marktordnung gilt, setzt das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dem munteren Teamwechsel sehr wohl rechtliche Grenzen. So ist das Geschäftsgebaren dann unlauter, wenn der eine Wettbewerber den anderen durch das Abwerben einer besonders großen Zahl von Arbeitnehmern (zum Beispiel drei Viertel der Belegschaft) gezielt schädigen möchte oder aber falsche Tatsachenbehauptungen in den Raum gestellt werden (üble Nachrede), die Mitarbeiter zu einem Wechsel anstiften sollen. Die Beweislast, dass einer dieser Umstände zutrifft, liegt jedoch bei dem im Wettbewerb behinderten Unternehmen.
In diesem Zusammenhang ist ebenso darauf hinzuweisen, dass sich die Team-Köpfe rechtlich exponieren, wenn sie nachweislich Team-Mitglieder zu einem Wechsel animieren. Lassen sich E-Mails oder sonstiger Schriftverkehr nachweisen, die auf einen solchen Umstand hinweisen, kann der Mitarbeiter dafür belangt werden. Ein Teamwechsel erfordert daher höchste Geheimhaltung und setzt somit ein enormes Vertrauensverhältnis unter den handelnden Personen voraus. Eine charmante Lösung für diese delikate Situation kann ein Personalberater sein, der als neutraler Intermediär die Ansprache der betreffenden Team-Kollegen übernimmt, nachdem der Kopf des Teams mit dem neuen Arbeitgeber handelseinig geworden ist.
Die Gefahr fauler Äpfel
So überzeugend die beschriebenen Vorteile des Team Hirings einerseits sind, so gehen damit auch nennenswerte Risiken einher, die einem bewusst sein sollten.
Aus Arbeitgebersicht stellt sich die Frage, ob man jede einzelne Person des Teams an Bord geholt hätte, wenn diese unabhängig von der Teamkonstellation die üblichen Einstellungsprozesse durchlaufen hätte. Sehr wohl kam es in der Vergangenheit vor, dass man sich „bad apples“ in die Firma geholt hat, bei denen die Einschätzung zur Einstellung zu wohlgefällig war und im Sinne des Gelingens des gesamten Team-Wechsels getroffen wurde.
Nicht selten kommt es vor, dass die Person an der Teamspitze ein „Wir kommen ganz oder gar nicht“ in die Verhandlungswaagschale wirft. Aus der Praxis ist jedem Consulting-Haus nur anzuraten, sich nicht auf eine solche Ultima-ratio einzulassen und stattdessen jedes einzelne Teammitglied „auf Herz und Nieren“ zu prüfen.
Ein toxisches Team-im-Team, das sich nicht integriert
Ein weiterer Nachteil eines Teamwechsels kann darin liegen, dass ein „Team im Team“ rekrutiert wird, welches mehr oder weniger unter sich bleibt, sich nicht auf die neue Unternehmenskultur einlässt und das nicht gemeinschaftlich auf die Ziele des Organisation einzahlt. Im schlimmsten Falle kann passieren, dass ein „cultural reverse takeover“ erfolgt: Das eingestellte Team ist zahlenmäßig so dominant, dass es der Firma den eigenen Stempel aufdrückt, was aus Unternehmenssicht unerwünscht und gegebenenfalls sogar toxisch sein kann. Aus den genannten Gründen empfiehlt sich häufig eine Teamgröße von vier bis sechs Personen, um alle oben beschriebenen Vorteile zu realisieren und gleichzeitig die möglichen Risiken zu minimieren. Um das rekrutierte Kernteam kann dann mit der Zeit eine kulturell stimmige und zugleich performante Struktur ausgebaut werden.
Wer Söldner rekrutiert…
Schließlich begibt man sich aus Arbeitgebersicht in die Gefahr, dass man mit der Verheißung signifikant höherer Gehälter letztlich auf Sand baut. Es droht die selbsterfüllende Prophezeiung: „Wer Söldner rekrutiert…verliert diese, sobald der nächstbeste Euro lockt“. Um diesem Aspekt entgegenzutreten, sollten für jede Person die individuelle Motivation und die persönlichen Treiber genauestens betrachtet werden. Im positiven Falle motivieren vor allen Dingen intrinsische Aspekte dazu, sich dem Team-Wechsel anzuschließen. Dies ist auch wichtig für den Fall, dass der Kopf des Teams nach relativ kurzer Zeit aus der Teamkonstellation gerissen wird, sei es durch Beförderung oder durch Kündigung. Ist die beidseitige „Due Diligence“ im Vorfeld des Teamwechsels zu lapidar, droht im schlimmsten Fall das komplette Auseinanderbrechen des Teams durch Fluktuation.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Team Hiring ist aus Unternehmens- wie aus Mitarbeitersicht äußerst attraktiv. Wenn es nicht zugleich so komplex und kompliziert wäre. Ein erfolgreicher Teamwechsel im Consulting kann zu Recht als „Königsdisziplin der Rekrutierung“ bezeichnet werden.
Über die Person
Daniel Nerlich ist Gesellschafter und Partner bei einem führenden Unternehmen im Executive Search, Board Consulting und Management Audit. Zu seinen Klienten zählen die Top-10 der internationalen Strategieberatungen, die Big-4 Wirtschaftsprüfungs- und Advisory-Gesellschaften sowie sogenannte „Hidden Champions“. Seit rund fünfzehn Jahren liegt sein Fokus auf der Besetzung von Führungspositionen innerhalb der Unternehmensberatung. Zudem ist er Gründer des Online-Magazins CONSULTANT career lounge.
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