Interview mit Kay Müller-Jones, Managing Partner TCS Technology bzw. IT und Business sind nicht mehr trennbar

Wie hat sich die Consulting-Landschaft in den vergangenen Jahren entwickelt? Für Kay Müller-Jones von TCS laufen die verschiedenen Disziplinen stark aufeinander zu. Management-Beratung ist kaum mehr ohne IT-Beratung denkbar. Was das für die Consultinghäuser und Consultants bedeutet, lesen Sie in dem Interview.

Kay Müller Jones von TCS im Interview

Unser Thema lautet „Blurring Boundaries im Consulting“. Wie nehmen Sie die Entwicklung im Consulting wahr? Verschwimmen die Grenzen immer mehr?

Kay Müller-Jones:

Ich würde anstatt von Grenzen eher von Konvergenz sprechen. Das ist aber eine Entwicklung, die schon seit den 90er-Jahren stattfindet.

Handelt es sich eher um eine klassische Managementberatung oder eine IT-Beratung? Früher war das klarer trennbar, in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich das immer stärker vermischt. Wenn wir die Entwicklung der letzten 20 Jahre betrachten, stellen wir fest, dass klassische Managementberatungen wie McK oder BCG immer stärker in die IT-Richtung drängen, und zwar in die Richtung strategische IT-Beratung bis hin zur Lieferung komplexer IT-gestützter Transformationsprojekte. Und hier ist die Konvergenzzone, in der vermeintliche Grenzen verschwimmen.

Liegt das ursächlich an der Digitalisierung, dass man als Beratung gar nicht anders kann, als entsprechende Kompetenzen bereitzuhalten?

Kay Müller-Jones: Das ist richtig.

„Technology“ bzw. „IT“ und „Business“ sind nicht mehr trennbar. Digitalisierung ist ein wesentlicher Treiber, warum sich auch klassische IT-Unternehmen, wie auch TCS ursprünglich einmal eines war, dazu entwickelt haben, neben der IT auch Management-Beratung als selbstverständlichen Teil des Gesamtportfolios anzubieten. Business-strategische Fragen stehen am Anfang eines jeden großen IT-gestützten Transformationsprojekts. Umgekehrt trifft das auch auf Management-Beratungen zu, die eben entsprechende IT-Kompetenzen bereitstellen müssen. Und das ist der Konvergenzpunkt, wo es sich trifft.

Dazu kommt das Thema „Vendor Consolidation“. Größere Unternehmen möchten mittlerweile eher „One-Stopp-Shopping“, d. h. möglichst viel aus einer Hand geliefert bekommen, von der Strategie bis zur Umsetzung.

Zentraler Treiber ist aber die Digitalisierung?

Kay Müller-Jones: Das ist ein Treiber, aber es gibt Weitere, wie z. B. aktuell das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Wie wird ein Unternehmen nachhaltiger in seinen Gesamtprozessen? Da ist Digitalisierung dann ein Mittel, um nachhaltiger zu werden. Das fängt an in der Logistik und geht weiter in der Produktion.

Wir müssen als Dienstleister das gesamte Wissen über den Kunden haben: über sein Geschäftsmodell, seine Prozesse, das IT-Know-how, das er braucht. Nur dann kann ich ihn effizient beraten. Digitalisierung ist nicht nur ein Treiber, sondern ein absolutes Muss, um wettbewerbsfähig zu sein.

Ein weiteres Beispiel ist die Reaktion auf die COVID-Pandemie. Denken sie an Logistikketten und wie empfindlich sie durch die Pandemie gestört wurden. Wie können Unternehmen darauf schnell reagieren?

Da wir als TCS im Kern eines Unternehmens tätig sind, werden wir, wenn es um solche strategischen Herausforderungen geht, immer häufiger gefragt: Wie kann ich meine Suppy-Chain flexibler machen? Wie kann ich mein Partner-Ökosystem, mein Lieferantenportfolio flexibler gestalten? Das sind strategische Fragen, die weit über die reine IT-Umsetzung hinausgehen. IT-Anbieter müssen sich also fragen, ob sie in der Lage sind, das end-to-end bereitzustellen. Und für die meisten Kunden auch gleich international. Wie kommen sie dahin? Bauen sie das selbst auf? Arbeiten sie mit Partnern? Wir als TCS haben es da einfacher, weil wir aufgrund unserer Größe in allen Märkten mit Teams lokal vertreten sind und sowohl lokal als auch global über die notwendigen Partnernetzwerke verfügen.

TCS bietet ja viele Produkte für konkrete Branchen an. Sind die Ideen dafür im Rahmen von Kundenprojekten entstanden?

Kay Müller-Jones: Die Beobachtung ist richtig. Es geht darum, Erfahrungen, die wir in Projekten gesammelt haben, wiederverwendbar zu machen. Das kann sich auch in Produkten manifestieren. Wir betreiben sehr intensiv Research & Development, um neue Dienstleistungen und Produkte aus den Erfahrungen in Kundenprojekten heraus zu identifizieren. Ein Beispiel ist TCS BaNCS – eine Bankensoftware, die von TCS für den Einsatz bei Retailbanken entwickelt wurde. Oder TCS Optumera – eine Plattform, die es Einzelhändlern mithilfe Künstlicher Intelligenz ermöglicht, ihre Preise zu optimieren, um so schneller auf Konsumenten- und Markttrends zu reagieren.

Wie entscheiden Sie, was Sie als Produkt anbieten und was nicht?

Kay Müller-Jones: Das sind Portfolioüberlegungen, die auf der Management-Ebene getroffen werden. Der entscheidende Punkt ist dabei aber das Bedürfnis unserer Kunden.

Wo Replizierbarkeit gegeben ist, entwickeln wir Produkte. Nicht nur Softwareprodukte, sondern auch Beratungsprodukte.

Unser Lösungsportfolio ergänzen wir durch Angebote von Partnern wie z. B. Start-ups, die in unser Co-Innovation Network eingebunden sind. Das gilt aber auch für große Technologie-Partner wie z. B. Microsoft, mit denen wir strategische Partnerschaften pflegen. Das Portfolio muss sinnhaft zusammengebracht werden.

Das ist eben auch Consulting: ein Portfolio für den Kunden so zusammenstellen, dass es für seine Problemstellung zusammenpasst.

Sie sind seit über 14 Jahren bei TCS. Was hat sich in der Zeit verändert? Für mich stellt es sich so dar, dass erst die IT-Dienstleistung war und dann das Consulting dazugekommen ist.

Kay Müller-Jones: Es hat sich aus den Bedürfnissen der Kunden heraus in diese Richtung entwickelt. Heute sind diese zwei Bereiche noch untrennbarer miteinander verknüpft, als es ursprünglich absehbar war.

Technologische Innovationen waren auch damals schon ein Treiber für Veränderung im Unternehmen. Aber die Dynamik hat sich weiter massiv gesteigert, sodass die Trennung zwischen IT-Beratung und Management-Beratung zusehends verschwimmt.

Wie geht es da jetzt weiter in den nächsten fünf Jahren?

Kay Müller-Jones: Da müsste ich jetzt in eine Glaskugel schauen. Angesichts der Dynamik der letzten 14 Jahre erwarte ich hier noch einige Überraschungen.

Ein wichtiges Kundenbedürfnis ist sicherlich das Thema Nachhaltigkeit. Das ist aktuell sehr stark nachgefragt. Wie kann ich Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie unter Betrachtung der Digitalisierung einbetten?

Digitalisierung ist kein isoliertes Thema. Deshalb haben Unternehmen auch spezielle Rollen wie den Chief Digital Officer eingeführt, um solche Fragen auf eine strategische Ebene zu hieven.

Welche Treiber außer Digitalisierung und Nachhaltigkeit sehen Sie noch?

Kay Müller-Jones: Ein Treiber, der nicht IT getrieben war, ist die Corona-Pandemie. Dies ist wirklich ein disruptives Ereignis gewesen.

Wie können Unternehmen schneller auf derartige Krisen und Veränderungen reagieren? Das ist eine der Kernfragestellungen. Eco-System-Design ist da ein Stichwort. Nehmen Sie die Entwicklung, die Automobilhersteller durchlaufen: Vom Hersteller zum Mobilitätsdienstleister.

Da fällt mir ein Projekt ein, das wir z. B. für die KLM gemacht haben. Da ging es darum, den Passagier, der am Flughafen ankommt, mit allen notwendigen Informationen und Dienstleistungen zu versorgen; diese also an einer Stelle zu bündeln und zugänglich zu machen und das Unternehmen schnell und flexibel in ein Eco-System von Partnern zu integrieren.

Die Trends sind: Flexibler werden, auf Veränderungen schneller reagieren, auch auf geo-politische Veränderungen. Das hat dann auch etwas mit der schnellen Verfügbarkeit von Skills zu tun.

Welche Auswirkungen hat es auf den Beruf des Consultants?

Kay Müller-Jones: Der Beruf des Consultant hat sich verändert über die Zeit. Consulting ist vom Begriff absolut positiv besetzt, auch in der Rolle des Consultant als vertrauenswürdiger Partner unserer Kunden. Die Voraussetzung ist nach wie vor ein solides Beratungsfundament. Methoden und Fähigkeiten zu haben, beratend tätig zu sein.

Was sich verändert hat, ist die Diversifikation. Ich selbst habe Informatik studiert und darin promoviert. Da gab es nur einen Informatikstudiengang. Heute gibt es 20 oder 30 verschiedene Bindestrich-Informatik-Studiengänge. Der Grad der Spezialisierung ist wesentlich größer geworden.

Eine wichtige Eigenschaft ist außerdem heute die Bereitschaft, lebenslang zu lernen. Man muss flexibel bleiben als Berater.

Sind die „Blurring Boundaries“ ein tatsächlicher Paradigmenwechsel oder nur eine temporäre Erscheinung?

Kay Müller-Jones: Blurring Boundaries impliziert, dass es eine klare Definition von Consulting gibt. Ich finde da den Konvergenz-Gedanken sinnvoller, denn durch Konvergenz verschwinden letztendlich vermeintliche Grenzen.

Über Kay Müller-Jones

Kay Müller Jones von TCS
Dr. Kay Müller-Jones ist Managing Partner und Head of Consulting & Services Integration bei TCS Tata Consultancy Services Deutschland GmbH.

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