Der Consultant Hunter The Big Shift: Der Generationenwechsel im Consulting ist in vollem Gange

Partner der geburtenstarken „Baby-Boomer“-Generation werden sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden. Dies hat konkrete Implikationen für die Gesellschafterstrukturen vieler Partnerschaften. Wer übernimmt die Gesellschafteranteile? Wer wird das Geschäft und die Kunden übernehmen? Aktuelle M&A-Deals im Consulting-Markt zeigen, in welche Richtung sich der Markt aufgrund des Generationenumbruchs entwickeln könnte.

Daniel Nerlich Kolumne Beitragsbild (Bild: picture alliance / photothek | Thomas Trutschel)

In geballter Form müssen talentierte Jungpartner:innen die laufenden Geschäfte übernehmen, in vielen Fällen müssen Gesellschafteranteile die Besitzer wechseln. (Bild: picture alliance / photothek | Thomas Trutschel)

In den 2020er Jahren werden in Deutschland jährlich etwa eine Millionen Menschen in den Ruhestand gehen. Wenn die Baby-Boomer zwischen 2025 und 2035 aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, wird die Erwerbsbevölkerung in Deutschland signifikant schrumpfen. Eine Forschungsgruppe des IW Köln rund um Prof. Dr. Michael Hüther hat in einer Studie beschrieben, dass diese Veränderung der Sozialstruktur Deutschlands mit einem Wohlstandsverlust in Milliardenhöhe einherzugehen droht. Was für die Wirtschaft im Allgemeinen gilt, gilt für Unternehmensberatungen im Besonderen: Partnerschaften werden sich strategische, zum Teil existenzielle Fragen stellen müssen, weil in einem relativ kurzen Zeitraum überproportional viele Baby-Boomer von Bord gehen werden und adäquat ersetzt werden müssen. In geballter Form müssen talentierte Jungpartner:innen die laufenden Geschäfte übernehmen, in vielen Fällen müssen Gesellschafteranteile die Besitzer wechseln. Dies bietet Chancen und Risiken zugleich.

Wachstumsverwöhnte Unternehmensberatungen droht der Personalengpass

Wie der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in seiner aktuellen Marktstudie feststellt, wird auch das laufende Jahr 2022 für den Beratungsmarkt mit einer prognostizierten Wachstumsrate von rund 10,5 Prozentpunkten glänzend verlaufen. Dieses Umsatzwachstum nährt sich in fast perfekter Korrelation durch das Wachstum der Anzahl der Mitarbeitenden. Laut BDU waren 2021 in Deutschland rund 162.000 Unternehmensberaterinnen und -berater beschäftigt. Möchte man diese Taktrate des Wachstums demnach aufrechterhalten, bräuchte es allein im Jahr 2022 rund 17.000 zusätzliche Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberater. Diese Zahlen weisen auf den grundsätzlichen Personalengpass hin, der vor allen Dingen auf den junioren und mittleren Senioritätslevels zuschlägt. Doch stellt sich auch auf den Senior-Levels, also auf Partner-Level und eine Ebene darunter, die Frage, wie man das weitere Wachstum mit qualifizierten und kulturell passenden Personen sicherstellen kann.

Manche Unternehmensberatung hat es in den letzten Jahren schlichtweg „verschlafen“, hinreichend viele „Principals“ oder „Directors“, „Senior Manager“, etc. zu entwickeln, um aus diesen kurzfristig Partnern:innen oder Practice-Heads werden zu lassen.

Dies führt dazu, dass derzeit viele Consulting-Häuser gezielte Recruiting-Kampagnen speziell für diese Senioritätslevels starten – gerne auch mit dem Zusatzauftrag verbunden, darüber die Frauenquote auf Principal-/Partner-Ebene steigern zu wollen. In individueller Sicht bietet das der einzelnen Unternehmensberaterin und dem einzelnen Unternehmensberater viele attraktive Möglichkeiten, Karriere zu machen.

Inhabergeführte Partnerschaften loten die strategischen Perspektiven aus

Doch was so schön nach individueller Karriereperspektive klingt, stellt sich aus Sicht von inhabergeführten, partnerschaftlich organisierten Unternehmensberatungen gegebenenfalls bedrohlich dar: Wenn sich eine Unternehmensberatung in den Händen der handelnden Partnerinnen und Partner befindet, beruht das Gesellschafterprinzip in der Regel darauf, dass Gesellschafteranteile von ausscheidenden Altpartnern:innen von der Gesellschaft oder aber von Neupartnern:innen übernommen und abgekauft werden müssen.

Was geschieht jedoch, wenn es keine hinreichende Anzahl an Neupartnern:innen gibt und die Gesellschaft ankaufen muss? Dann kann dies dazu führen, dass die Finanzierung aus der Liquidität der Gesellschaft bedient oder gar ein Kredit aufgenommen werden muss. Im Zweifel muss sich die Partnerschaft die strategische Frage stellen, ob ein Verkauf an Externe in Frage kommt: Dies könnte bedeuten, dass man beispielsweise an „stille Gesellschafter“ jenseits der Partnerschaft verkauft. Oder aber man schließt sich als mittelständische Unternehmensberatung einer internationalen Großberatung wie beispielsweise Accenture (börsennotiert und somit frei von den hier beschriebenen Sorgen der Refinanzierung von Gesellschafteranteilen) an – der Appetit von Accenture nach Übernahmen suchte in den vergangenen Jahren im Beratungsmarkt seinesgleichen.

Alternative: Verkauf der Unternehmensberatung an Private-Equity-Fonds

Immer häufiger sieht man jedoch, dass sich Unternehmensberatungen an Private-Equity-Fonds verkaufen und damit zwei Ziele zugleich erreichen: Einerseits stellen sie ihre Gesellschafterstruktur zukunftsfest auf und zum anderen wird das eingesammelte Kapital der PE’s genutzt, um das weitere organische oder anorganische Wachstum zu finanzieren. Illustrativ lässt sich hier die Deutsche Private Equity (DPE) als aktivistischer Investor im Beratungsmarkt bezeichnen: So hat sich DPE in Firmen wie valantic oder die Schweizer AWK Group eingekauft, um rund um den jeweiligen Kern eine umfassende Beratungsplattform zu schaffen, die den Kunden ganzheitlich bedienen kann. Auch Waterland machte mit der Beteiligung an Horn & Company auf sich aufmerksam. In der Regel wird hier in einen starken Anker investiert und durch Zukauf weiterer Beratungen ein assoziiertes Ökosystem geschaffen.

Und auch so namhafte und groß dimensionierte Unternehmensberatungen wie Roland Berger sollen ja in den vergangenen Jahren immer wieder dadurch aufgefallen sein, dass sie die strategische Option eines Verkaufs evaluiert haben. Nach verschiedenen Due-Diligence-Prozessen Anfang der 2010er hatte sich die Gesellschafterrunde letztlich dafür entschieden, einen eigenen Weg einzuschlagen, unabhängig zu bleiben und als Teil des Strategieplans „New Roland Berger“ ein so genanntes „House of Brands“ werden zu wollen. Doch das damalige Votum für Unabhängigkeit muss ja nicht zwangsläufig auf alle Zeiten Bestand haben…

The Big Shift zwingt zum Perspektivenwechsel

Was bedeuten diese Entwicklungen für die einzelnen Unternehmensberaterinnen und Unternehmensberater?

Der Beratungsmarkt, wie wir ihn zuletzt kannten, wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verändern.

Es werden hochspezialisierte Boutique-Beratungen bestehen bleiben, während viele mittelständische Häuser das Heil in Fusionen oder dem Verkauf suchen werden. Dadurch werden viele Akteure neuer Art entstehen.

Als Beraterin oder Berater mit dem Wunsch, im Consulting Karriere zu machen, lohnt es, den Markt intensiv zu beobachten und die neuartigen Organisationen und Ökosysteme detailliert im Blick zu behalten, um potenzielle Karrierechancen und -risiken richtig einzuschätzen zu können. Anpassungsfähigkeit („Adaptability“) und Veränderungsaffinität sind und bleiben Kompetenzen, die man in der Beratung mitbringen sollte. Denn künftig wird man sich nicht nur – wie bisher –auf immer neue Kunden (-kontexte) einstellen müssen. Man sollte sich auch auf signifikante Veränderungen beim eigenen Beratungshaus und im eigenen Wettbewerbsumfeld einrichten können.

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Über die Person

Daniel Nerlich ist Gesellschafter und Partner bei einem führenden Unternehmen im Executive Search, Board Consulting und Management Audit. Zu seinen Klienten zählen die Top-10 der internationalen Strategieberatungen, die Big-4 Wirtschaftsprüfungs- und Advisory-Gesellschaften sowie sogenannte „Hidden Champions“. Seit rund fünfzehn Jahren liegt sein Fokus auf der Besetzung von Führungspositionen innerhalb der Unternehmensberatung. Zudem ist er Gründer des Online-Magazins CONSULTANT career lounge.

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