Consulting Tools Tools, Methoden, Frameworks, Werkzeuge fürs Consulting– alles das gleiche?

Es gibt wenig Literatur über die verschiedenen systematischen und strukturierten Vorgehensweisen in der Beratung. Noch weniger gibt es einen Standard für die Strukturierung und Nomenklatur von Beratungsmethoden. Dieser Artikel stellt eine mögliche Kategorisierungslogik vor.
Herr Andler, von Ihnen stammt das Buch „Tools für Projektmanagement, Workshops und Consulting: Kompendium der wichtigsten Techniken und Methoden“.
Nicolai Andler: Ja, und das bereits in der 6. Auflage. Die komplett überarbeitete 7. Auflage mit dann 200 Tools ist für März 2022 vorgesehen.
Wie kamen Sie auf die Idee darüber ein Buch zu schreiben?
Nicolai Andler: Trotz meines Wirtschafts-Ingenieur und MBA Studiums fühlte ich mich ungenügend auf meinen Berufsstart in der Management Beratung vorbereitet. Also suchte ich nach Büchern, die das methodische, strukturierte Arbeiten der Consultants erklären. Fehlanzeige. Es gab im Jahr 2000 weder in der deutschen noch englischen Literatur etwas mit Substanz. Selbst heute ist der Buchmarkt zu diesem Thema – im Vergleich zu anderen Berufsbildern – mäßig. Aus meinem Eigenbedarf hat sich zuerst eine Stichwortsammlung (mein „Spickzettel“) und erst später ein umfangreichere Toolsammlung entwickelt. Mein Verleger erkannte die Nische und wurde mit weltweit über 30,000 verkauften Exemplaren belohnt.
Warum liegt Ihnen das Thema am Herzen?
Nicolai Andler: Weil ich beobachtet habe, dass Berater bei jedem Projekt gerne das Rad neu erfinden. Vor allem die jüngeren Kollegen leiden unter diesem Arbeitsstil und verschwenden unnötige Zeit für das mühsame Aneignen bereits existierenden Wissens oder Methoden.
Mein Ziel ist es, dass Berater wieder ein Wochenende und ein Leben haben. Ich selbst habe (zu) viele Nächte und Wochenenden als Juniorberater damit verbracht die x-te Variante eines Fragebogens oder einer Auftragsklärungsworkshops-Agenda neu zu erfinden. Dies oft, weil ich von den anderen Varianten und Versionen innerhalb der Firma nichts wusste. Es ist also auch ein Problem des Wissensmanagement bzw. des Teilens von Wissen innerhalb der Firmen.
Welcher Berater kennt nicht die Aussage seines Projektmanagers: „Sowas ähnliches haben wir schon mal gemacht. Schau dir mal das Projekt ABC oder XYZ dazu an.“ Er googelt dann rasch nach Begriffen oder Schaubildern, um schnell Konzepte und Vorgehensmodelle zu finden, die er dann umständlich umbaut. Wäre es nicht besser, wenn jede Beratung ein wirkliches Standard-Kompendium an Methoden und Vorlagen hätte? Und damit meine ich nicht (nur) die PowerPoint Formatsammlung.
Was ist überhaupt ein Consulting-Tool?
Nicolai Andler: Ich denke das Wort Tool wird seit einigen Jahren ähnlich inflationär verwendet wie das Wort Coaching. Vieles hat jetzt das Label Tool. Software oder SaaS Applikationen, Formatvorlagen, Konzepte und Arbeitsanleitungen, etc.
Wie würde sich ein Tool von einer Methode abgrenzen? Mit anderen Worten: Ab wann ist ein Tool ein Tool?
Nicolai Andler: Eine gute Frage. Als ich 2005 mein Buchmanuskript schrieb, hatte ich noch alles – also Methodologie, Verfahren, Techniken, Vorgehensmodelle, Konzepte, Modelle, etc. – in einen Topf geschmissen und als Tools deklariert. Das sehe ich heute in der Tat etwas differenzierter.
Lassen Sie mich die Frage beantworten, in dem ich die von mir angewandte Taxonomie vorstelle: Ich sehe den Begriff „Methode“ als Überbegriff für die beiden Kategorien „Vorgehensmodelle (frameworks)“ und „Tools“, die sich dazu noch auf unterschiedlichen Ebenen befinden. Das Wort „Methode“ – auf Griechisch „méthodos“ (Weg oder Gang einer Untersuchung bzw. Weg zu etwas hin) – steht also für eine systematische Vorgehensweise.
Tools sind wie ein Katalysator oder Schmiermittel. Tools machen eine Tätigkeit einfacher, schneller und geben eine gedankliche Struktur für die Tätigkeit selbst. Tools sind in der Hierarchie „unten“ angesiedelt. Nehmen wir die Tätigkeit, eine neue Form für Pizza-Verpackungen zu finden, als eine kreative Aufgabe. Entweder Sie kommen spontan auf neue Ideen oder Sie verwenden ein Kreativitäts-Tool wie z.B. das 6-3-5- Tool, das Sie bei der Tätigkeit anleitet und Sie dadurch besser, einfacher oder schneller zum Ziel kommen lässt.
Und dann gibt es noch Frameworks – die Vorgehensmodelle, die „oben“ angesiedelt sind. Frameworks beschreiben das gesamte Vorgehen, um ein größeres, oft längerfristiges Ziel zu erreichen wie z.B. eine Machbarkeitsanalyse, eine Wettbewerberanalyse, eine Produkt-Markt Strategiematrix (nach Ansoff). Frameworks sind meistens thematisch ebenfalls gruppiert z.B. in Strategie-Frameworks. Diese großen Vorgehensmodelle unterteilen sich typischerweise in Phasen oder Schritte. Jeder Schritt ist dann weiter unterteilt in Tätigkeiten. Das Ganze kommt einem Projektstrukturplan oder je nach Darstellung einem Projektplan sehr nahe. Natürlich sind die Grenzen in der Realität nicht so klar wie ich sie hier definiere. Es gibt Frameworks, die einen kurzen Lieferhorizont haben und in einem Workshop abgearbeitet werden könnten wie z.B. das Framework „Blue Ocean“. Damit wird dann die Abgrenzung zu einem Tool schon schwieriger.
Lassen Sie mich das Ganze an einem Beispiel erklären:
Nehmen wir eine Chefköchin, die die Schublade in ihrer Küche aufmacht und einen Schneebesen herausnimmt. Der Schneebesen ist ein Tool für die Tätigkeiten „Aufschäumen“ und „Unterheben“. Sie könnte auch eine Gabel nehmen, das wäre weniger geeignet und nicht so effizient. Es gibt also geeignete und weniger geeignete Tools für eine Tätigkeit. Plant eine Chefköchin ihr 7-Gänge-Menü zu Weihnachten, indem sie einen Schneebesen aus der Schublade nimmt und sich fragt, was sie damit jetzt kochen kann? Ich vermute nicht. Sie fängt vermutlich „oben“ an. Sie hat ein Thema, einen Leitgedanken, einen ausgedehnteren Plan, den sie in ein Menü umgestaltet – mit Phasen/Schritten und Tätigkeiten. In der Küche spricht man dann eben nicht von Frameworks und Schritten, sondern von einem Menü mit Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch und entsprechenden Arbeitsanweisungen sowie Rezepten. Beim Nachtisch Mousse au Chocolat gibt es dann eine Tätigkeit „Eiweiß unterheben“, für die es ein geeignetes Tool, nämlich den Schneebesen, gibt.
Für eine Beratung, die methodisch strukturiert und effizient zu arbeiten wünscht, ist diese Differenzierung wichtig. Sie hilft bei der Katalogisierung und beim Management des Methodenwissens.
Welche Tools sind ihrer Einschätzung nach am weitesten verbreitet in der Consultingbranche?
Nicolai Andler: Projektmanagementbezogene Tools scheinen mir früher wie auch heute eine dominierende Rolle zu spielen – heute eben mit einem agilen Schwerpunkt.
In welchen Bereichen der Branche sollte es mehr Tools geben? Welches Tool muss noch erfunden werden?
Nicolai Andler: Sehr spannende Frage.... dazu mache ich mir noch mehr Gedanken für den nächsten Artikel.
Welche Tools setzen Sie selbst bei Ihren Beratungsaufträgen besonders häufig ein?
Nicolai Andler: Meine Favoriten kommen hauptsächlich aus der Tool-Kategorie „Situationsdefinition“ – also Auftragsklärung, Scope Klärung, Problemursachen von Problemsymptomen abgrenzen, Erwartungen und Annahmen der Stakeholder klären, Kontexte erfassen. Diese Tools kommen wirklich immer zum Einsatz und sind Teil meiner Top 10 Tool Liste.
Wie unique können Tools überhaupt sein? Aus meiner Wahrnehmung tauchen bestimmte Tools unter verschiedenen Namen bei diversen Beratungshäusern auf.
Nicolai Andler: Das ist richtig. Ich sehe jedoch doch noch ab und zu neue Varianten und Erweiterungen zu bestehenden Tools, die dann oftmals aus anderen Bereichen und Disziplinen kommen. Auch wenn z.B. der Design Thinking Werkzeugkasten als Bauhaus-Kind über hundert Jahre alt ist, bereichert er seit Jahren viele Innovationsprojekte mit Tools zum Perspektivenwechsel aus den Bereichen der Psychologie und Soziologie.
Macht es Sinn, Tools wie Produkte zu vermarkten? Sollte man sich Tools, die man selbst entwickelt hat, markenrechtlich schützen lassen?
Nicolai Andler: Ich kann nachvollziehen, dass eine Beratung ihre Einzigartigkeit und den USP herausstellen möchte. Tools und das zugrunde liegende Vorgehen lassen sich jedoch nur schwer als geistiges Eigentum schützen. Das einfachste und schnellste ist, einen Namen für ein selbst entwickeltes Tool einzuführen und sich diesen Namen als Warenzeichen eintragen zu lassen.
Von einer Marketing-Perspektive macht es meiner Meinung nach Sinn sich seine geschaffenen Vorgehensmodelle und Tools markenrechtlich schützen lassen. Inwieweit der Kunde dies als Mehrwert für sein Projekt wahrnimmt und dies dessen Kaufentscheidung beeinflusst, finde ich eine spannende Frage.
Gibt es so etwas wie eine Hall-of-Fame der Consulting-Tools? Wissen Sie z.B. wer die BCG-Matrix entwickelt hat?
Nicolai Andler: Die BCG Matrix von Bruce Henderson ist vermutlich eines der wenigen Beratungstools, das global bekannt ist, gefolgt von den späteren Klassikern der 5 Forces von Michael Porter, Balanced Scorecard (Kaplan/Norton) und Blue Ocean von Kim/Mauborgne.
Streng genommen sind diese Klassiker – nach meiner Definition – jedoch eher Frameworks und nicht einfache Tools.
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/jj
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