Über Budget, über Zeitplan, immer wieder: Sind Großprojekte steuerbar?
Von Prof. Dr. Susanne Knorre, Knorre Consulting
Politisch gesehen alles richtig gemacht: Wenn etwas nicht läuft oder gar skandalbehaftet ist, muss ein Aktionsplan her. Diesen Reflex beherrschen Unternehmen genauso wie Behörden oder Politik. Letztere hat deshalb in Gestalt des Bundesverkehrsministers einen "Aktionsplan Großprojekte" vorgelegt. Ziel ist es nach eigenen Worten, auf die kritische öffentliche Diskussion über solche Großprojekte zu reagieren, die den gesetzten Kosten- und Terminrahmen nicht einhalten – also so ziemlich alle. Damit nähert sich die Bundesregierung der Erkenntnis des dänischen Projektforschers und Oxford-Professors Bent Flyvbjerg, der seine internationalen empirischen Studien über Groß- und Megaprojekte mit dem Fazit abschloss: "Most project management forecasters are fools or liars!".
Diesem offenbar basalen Problem, mit dem beileibe nicht nur öffentliche Projekte behaftet sind, soll nun mit besagtem Aktionsplan abgeholfen werden. Die Erwartungen sind also hoch gesteckt, allerdings hätte schon stutzig machen können, dass eine so genannte Reformkommission entsprechende Empfehlungen erarbeitet hatte. Wer schon einmal an solchen Veranstaltungen teilgenommen hat, der weiß, dass dort das rauskommt, was die Assistenten der Teilnehmer so zusammentragen. Nun also der Aktionsplan und dies sind die Highlights in Kurzfassung:
- Arbeiten in interdisziplinären Planungsteams,
- Aufbau eines Risikomanagements,
- Bauen nur auf Basis einer fundierten Planung,
- Wirtschaftlichkeitsprinzip bei Ausschreibungen ernst nehmen,
- Klare Prozessdefinitionen,
- Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen für die Beschaffung
- stärkere Digitalisierung der Planung.
Sie meinen, dass ist eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten? Stimmt. Erstes Semester Projektmanagement. Ob man damit den "fools and liars" auf die Schliche kommt, darf bezweifelt werden. Und wer wüsste nicht, dass es bei öffentlichen Ausschreibungen am Ende trotz des schon lange bestehenden Wirtschaftlichkeitsgebots immer nur um den Preis geht.
Es bleiben aber am Ende zwei Gedanken des Aktionsplans, die bei konsequenter Anwendung vielleicht doch etwas im Sinne von Termin- und Kostentreue bringen. Da ist zum einen der Punkt des verbesserten Controllings und zwar sehr wohl als Kontrolle verstanden und nicht als Steuerung weichgespült. Der regelmäßige Einsatz eines externen Controllings, direkt beauftragt von den Projektsponsoren bzw. dem Aufsichtsrat der Projektgesellschaft, verspricht genauso mehr Realitätsnähe wie ein Controlling durch verpflichtende Veröffentlichung von Projektplanung und -status. Keine Kontrolle ist so wirksam wie die öffentliche. Wenn der Preis dafür in längeren politischen Diskussionen oder der Erarbeitung von mehreren Planvarianten besteht – bitte sehr, denn das ist alles besser als Chaos gegen Projektende.
Der zweite sinnvolle Ansatz aus dem Aktionsplan besteht in dem auch von Flyvbjerg ausgearbeiteten Grundsatz, nach dem jedes Großprojekt mit dem gesicherten Wissen aus vergleichbaren Projekten abgeprüft werden muss. Der Aufbau entsprechender Datenbanken mit spezifischen Kategorien für das deutsche Umfeld und ein verpflichtender Abgleich mit diesen Erfahrungswerten kann die Plausibilität von Kosten- und Terminplänen nachprüfbarer machen. Natürlich wird es weiter "fools and liars" geben, aber vielleicht fällt es insgesamt schneller auf. Das wäre ja schon ein Fortschritt.
Quellenhinweise:
Bent Flyvbjerg (2014): What You Should Know About Megaprojects and Why: An Overview, in: Project Management Journal, April/May 2014
URL: http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2424835
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2015): Reformkommission Bau von Großprojekten
URL: http://www.bmvi.de/DE/VerkehrUndMobilitaet/Verkehrspolitik/Grossprojekte/grossprojekte_node.html
Zur Person:

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