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- Unternehmensführung in der Krise: Wie können Unternehmen mit drohender Insolvenz umgehen?
Blick in die Bilanz: CONSULTING.de-Kolumne von Bert Erlen Unternehmensführung in der Krise: Wie können Unternehmen mit drohender Insolvenz umgehen?

Die Krise schlägt für viele Unternehmen voll zu. Umsatzeinbrüche führen zu sinkenden Einnahmen, aber leider sinken die Kosten nicht in gleichem Maße. Die meisten Unternehmen haben einen erheblichen Fixkostenblock, der, wenn überhaupt, nur mit großer zeitlicher Verzögerung verringert werden kann. Im Ergebnis fehlt das Geld in der Kasse und das Eigenkapital schmilzt dahin. Beides ist fatal.
Wenn der Umsatz ausbleibt
Vor einigen Tagen riefen mich zwei Kunden an, beide sind Geschäftsführer eines Zulieferers in der Automobilindustrie. Sie haben das Unternehmen vor einigen Jahren gegründet und erstmal viel in die Produktinnovation investiert. Heute können Sie ihren Automobilkunden hochinnovative effizienzsteigernde Produktionsmanagementsysteme anbieten.
Aber den Automobilkunden geht es schlecht, weil die globale Nachfrage einbricht. Also bleiben die dringend notwendigen Aufträge und damit die Umsätze für den Zulieferer aus.
Illiquidität entsteht als Erstes
Zunächst leidet daher die Kasse. Ohne Aufträge kein Umsatz und ohne Umsatz kein Cashflow. Das Unternehmen hat daher schnell reagiert und Kurzarbeit eingeführt, die Kassenabflüsse für die Gehälter können so signifikant verringert werden. Gleichzeitig werden Messeauftritte abgesagt, sonstige Marketinginitiativen gestoppt, die Reisetätigkeit der Vertriebsmitarbeiter wurde massiv eingeschränkt – was wegen Corona ohnehin angesagt war.
Der Fall ist typisch: Jetzt in der Krise sind bei sehr vielen Unternehmen sehr schnell die Umsätze eingebrochen. Denken Sie an die Airlines, die gesamte Reisebranche, die Automobilhersteller und ihre Zulieferer, private Kultureinrichtungen, Konzertveranstalter, Messebauer und Veranstaltungstechniker, Weiterbildungsunternehmen und viele mehr. Die Begrenzung der Sozialkontakte hat dazu geführt, dass Unternehmen nicht mehr produzieren konnten und Kunden nicht mehr kaufen konnten. In der Folge stockt der Geldkreislauf in der Wirtschaft und damit laufen die Kassen vieler Unternehmen plötzlich und schnell leer. Es entsteht dringender Handlungsbedarf.
Unternehmen müssen dann schnell für Bargeld sorgen
In dieser Situation haben Unternehmen umso mehr Puffer, je voller die Kasse ist bzw. war.
Eigentlich ist ein hoher Kassenbestand betriebswirtschaftlich aber nicht sinnvoll, weil das Geld nicht arbeitet. Geld kann sich nur vermehren, wenn es in die Produkterstellung investiert ist, nicht, wenn es einfach nur in der Kasse liegt. Trotzdem beobachte ich bei vielen Unternehmen, dass der Kassenbestand am Bilanzstichtag relativ hoch ist. Oft genau aus diesem Grund: um gegen einen plötzlichen Umsatzeinbruch gewappnet zu sein.
Wenn es aber nicht reicht, braucht man schnell neues Geld. Und das kommt entweder von Eigentümern, in Form einer Eigenkapitalerhöhung, oder von der Bank als Kredit. Weil Eigenkapital mit höheren persönlichen Verlustrisiken verbunden ist, denken Unternehmen daher zunächst an einen Kredit. Und wenn das Rating gut ist, steht dem auch nicht viel im Wege.
Banken versorgen die Wirtschaft über Kredite mit Geld
Denn schließlich ist das das klassische Geschäftsmodell der Banken und Sparkassen: die Wirtschaft über Kredite mit Bargeld zu versorgen. Genau für diesen Fall.
Banken werden aber nur einen Kredit vergeben, wenn sie mit einer Rückzahlung rechnen können, dafür erstellen sie ein Rating. Ratingkriterien sind insbesondere das Eigenkapital und der operative Cashflow.
Um die Höhe des Eigenkapitals einzuschätzen, berechnen Banken die Eigenkapitalquote, also den prozentualen Anteil des Vermögens, das durch Eigenkapital finanziert ist. Eine grobe Daumengröße lautet: mindestens 30 Prozent.
Am angelsächsischen Kapitalmarkt ist eine etwas andere, aber trotzdem ähnliche Kennzahl üblich, das financial gearing oder debt-to-equity-ratio. Hier wird meist gefordert, dass die Finanzverbindlichkeiten insgesamt nicht höher sein sollten als das Eigenkapital, die Kennzahl 1 also möglichst nicht überschreiten sollte. Banken werden demnach nur einen Kredit vergeben, wenn das Eigenkapital eine bestimmte Mindestgröße nicht unterschreitet.
Das zweite Kriterium ist der operative Cashflow. Er wird näherungsweise mit dem leichter zu ermittelnden EBITDA beurteilt, also dem Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Der EBITDA lässt sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung oder der monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertung ermitteln. Die EBITDA-Marge gibt dann an, welcher prozentuale Teil des Umsatzes nach Abzug der operativen Kosten für die Vergütung der Kapitalgeber in der Kasse bleibt.
Vom Bankenrating hängt ab, ob und zu welchen Zins- und Tilgungskonditionen ein Unternehmen einen Kredit bekommt.
Kredite helfen oft nur bedingt
Das Hauptproblem bei einem Kredit ist aber die automatische Verschlechterung der geschilderten Eigenkapitalkennzahlen. Bei dem oben erwähnten Unternehmen ist die Eigenkapitalquote ohnehin bereits gering, denn nach den vielen Innovationsinvestitionen sind die Abschreibungen insbesondere auf immaterielles Vermögen hoch und haben das Eigenkapital belastet. Schlecht für das Rating bei der Bank.
Ein Ausweg ist die Kapitalzuführung von Eigentümern. Eine Eigenkapitalerhöhung durch die bestehenden Eigentümer setzt voraus, dass sie bereit sind, mehr Privatvermögen zu investieren und damit ihr persönliches Risiko zu erhöhen. Oder sie nehmen einen weiteren Gesellschafter auf, wodurch sich die Entscheidungsmehrheiten verschieben. Beides keine leichten Entscheidungen.
Die Gesellschafter des beschriebenen Unternehmens tendieren dazu, einen weiteren Eigentümer, vielleicht einen strategischen Investor aus dem Umfeld familiengeführter Beteiligungsgesellschaften anzusprechen. Dieser Vorgang benötigt aber Zeit. Denn für die Risikoprüfung und den Vertrauensaufbau müssen viele Gespräche stattfinden und Unterlagen geprüft werden.
Ist das Unternehmen langfristig leistungsfähig?
Bei einer Kreditaufnahme wie auch bei einer Eigenkapitalerhöhung wird neues Geld von außen zugeführt. Und in beiden Fällen erwarten die Geldgeber, ob Banken oder Gesellschafter, dass ihr Geld verzinst, also mehr als vorher zurückgezahlt wird.
Dieser Mehrwert kann nur aus dem operativen Geschäft kommen. Neue Aufträge generieren neuen Umsatz, der nach Abzug der laufenden Auszahlungen als operativer Cashflow in der Kasse bleibt. Der Automobilzulieferer ist guten Mutes, dass das Produkt innovativ genug ist, um zukünftig Mehrwerte zu erzielen. Man muss jetzt nur die Durststrecke überstehen. Aber wenn die Produktion bei den Autoherstellern wieder anläuft, wenn die Kunden wieder Autos kaufen, wenn der Shutdown beendet ist, wird es wieder aufwärts gehen.
Bei Airberlin hat es nicht geklappt
Der zweite Insolvenzgrund ist die Überschuldung. Airberlin war überschuldet, weil über die Jahre so hohe Verluste aufgelaufen sind, dass das Eigenkapital irgendwann negativ wurde. Und bei wenig Eigenkapital – siehe oben – bekommt man auch keine Kredite mehr von der Bank.
Airberlin wurde durch ihre Partnerschaft mit Etihad lange Zeit gerettet. Etihad hatte Airberlin trotz des verlustreichen Geschäfts die Zusage gegeben, das negative Eigenkapital bei Bedarf auszugleichen. Eine solche Zusage kann die Insolvenz verhindern. Als die Zusage aber zurückgezogen wurde, musste die Airline Insolvenz wegen Überschuldung anmelden und wurde letztlich zerschlagen.
Insolvenz ist die Reißleine
Das Geschäftsmodell von Airberlin war nachhaltig nicht erfolgreich, daher ist es folgerichtig, dass das Unternehmen nicht mehr existiert. Die Insolvenz schützt insofern Unternehmen, ihre Eigentümer und ihre Mitarbeiter letztlich vor noch größerem Schaden. Gerade für die Mitarbeiter ist der Prozess aber natürlich ohne Frage sehr schmerzhaft.
Wenn aber das Management des Automobilzulieferers an die Produkte glaubt, wenn es Belege gibt, dass die Kunden das Produkt kaufen werden, dass es in Zukunft Umsätze generieren wird, dann ist es sinnvoll, jetzt neues Kapital zu besorgen.
Über die KFW hilft der Staat mit verbilligten Krediten
In der besonderen Situation der Coronakrise vergibt die staatseigene KFW-Bank günstige und in ihrem Tilgungsplan großzügige Kredite. Die Gesellschafter des Automobilzulieferers werden diese Möglichkeit jetzt kurzfristig nutzen, um sich Luft zu verschaffen. Soweit es die geringe Eigenkapitalquote zulässt.
Langfristig streben sie eine zusätzliche Eigenkapitalzuführung an. Aus eigenem Vermögen. Sie möchten aber zusätzlich einen strategischen Investor ansprechen. Wenn das Geschäft hoffentlich bald wieder angelaufen ist, entsteht möglicherweise ohnehin weiterer Kapitalbedarf, um neues Wachstum durch Investitionen finanzieren zu können. So der Plan.
Fazit: Wie können Unternehmen der Insolvenz entrinnen?
Die beiden Geschäftsführer würden grundsätzlich auch vor einer Insolvenz nicht zurückschrecken. Sie bietet besondere Schutzmechanismen für Mitarbeiter und Gläubiger, und erleichtert damit eine Sanierung. Aber der große Nachteil wäre, dass alle von den betriebswirtschaftlichen Herausforderungen erfahren würden. Und die Automobilkunden haben klare Ratingkriterien für ihre Zulieferer. Und ein insolventes Unternehmen wäre möglicherweise schnell aus der Zuliefererliste gestrichen.
Das Unternehmen sollte also schnell die Kasse füllen. Kredite sind dabei aber, je nach Eigenkapitalquote, eher eine Brückenfinanzierung als eine Dauerlösung. Wenn das Geschäft Zukunft hat und wenn man einen guten, vertrauensvollen und professionellen Gesellschafter findet, ist die Stärkung des Eigenkapitals strategisch in jedem Fall die bessere Wahl.
Bert Erlen, Unternehmercoach, Managementtrainer für finanzielle Führung, Blogger und Podcaster
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