Kolumne von Moritz Neuhaus Von U-Boot-Marketing zum reinrassigen B2B-Influencer: Wann schalten Consultants um?

Viele Jahrzehnte passte es nicht ins Berufsbild eines Beraters, Erkenntnisse aus dem Arbeitsumfeld mit der Öffentlichkeit zu teilen. Ganz zu schweigen davon, fremden Menschen Einblick in private Angelegenheiten zu geben. Unternehmensberatung gilt immer noch als hoch vertrauensvolle Profession. Laien im unteren Management wissen nur selten, was genau die Männer (und leider weiterhin wenigen Frauen) von Montag bis Freitag tun. Unternehmensberater agieren standesgemäß im Verdeckten und tun vieles dafür, dass das so bleibt. Aus gutem Grund: Wenn medial über die Berufsgruppe berichtet wird, dann meist negativ. "Die unheimliche Macht der Berater" lautete eine ARD Reportage aus Februar 2019. Noch heute schildern Consulting-Partner aus namhaften Beratungshäusern, dass sie aktiv Geld dafür ausgeben, um mediale Aufmerksamkeit zu reduzieren. Aus dieser Vorliebe zur Geheimhaltung hat sich unter vielen Beratern eine natürliche Abneigung gegen Social-Media entwickelt. Non-Disclosure-Agreements vertrugen sich eben nicht wirklich mit bunten Posts und persönlichen Selfies.
B2B-Influencer verkaufen kein Shampoo
Aus Angst vor Kontrollverlust über die eigene Unternehmensmarke ist das regelmäßige Veröffentlichen von Social-Media-Beiträgen meist nur der PR-Abteilung des obersten Consulting-Chefs gestattet. Dementsprechend sehen die meisten Posts dann auch aus. Dieser Angst liegt ein veraltetes Verständnis von Influencern zugrunde. Gerade im B2C-Umfeld drehte es sich lange darum, überteuerte Eigenprodukte an Heranwachsende zu verkaufen. Influencer Marketing ist heute viel mehr und schwappt auf den B2B-Sektor über. In den letzten Jahren hat das Thema "Influencer" (zu deutsch Beeinflusser) an Reife gewonnen und entwickelt sich zum festen Bestandteil einer jeden Marketing-Kampagne. Im B2B-Marketing müssen diese jungen Erkenntnisse noch verarbeitet werden. Unternehmensberatungen sollten eigene Meinungsführer aufbauen, die im Markt für ihr Thema einstehen. Denn gerade bei austauschbaren Dienstleistungen zählt der Mensch hinter dem Tagessatz. Gleichzeitig verkennen viele Berater den Zeitgeist und setzen weiter auf U-Boot-Marketing, bzw. auf "kein Marketing".
Aber es besteht Hoffnung: Bedingt durch die weltweite Corona-Krise findet in den letzten Monaten ein Umdenken statt. Plötzlich ist Social-Media auch für hochprofessionelle Berater und gestandene Führungskräfte relevant. Den Anfang machen seit Längerem wieder einmal die USA, wobei die Rede keineswegs vom "King of Personal Branding" (Elon Musk) ist. Es geht um die in 1869 gegründete Investmentbank Goldman Sachs.

Unternehmensberater und Top-Führungskräfte sind auch nur Menschen

Social Media Performance (Bild: LinkedIn Profil, Herbert Diess).
Gelingt die Weiterentwicklung von PowerPoint zum Video?
Wie die genannten Beispiele zeigen, etabliert sich Personal Branding über Social-Media als Marketingkanal. Die Offenheit kommt gut an, weil Zuschauer merken, dass Menschen und Inhalte greifbar sind. Steigende Reichweiten und positive Kommentare belegen dies. Aber gutes Branding braucht Zeit, um seine Wirkung gegenüber Kunden und Mitarbeitern zu entfalten. Das Medium Video spielt dabei eine übergeordnete Rolle, weil es persönliches Commitment ausdrückt und nicht wie Texte durch PR-Abteilungen ersetzbar ist. Consulting-Partner müssen sich weiter abgrenzen, wenn sie im Gedächtnis bleiben wollen. PowerPoint-Präsentationen halten können alle zweifellos. Mittlerweile sogar via Zoom. Zukünftig sind sie gefordert, sich in Videos persönlich zu präsentieren, Ihren Kunden eine Bühne zu bieten und Statements zu Markttrends und Technologien abzugeben. Consulting-Partner haben das Zeug dazu, für ihr Thema als Experten sichtbar zu werden. Dabei gilt speziell nach Corona ein Grundsatz: Jeder Fehler ist korrigierbar, außer aufzuhören.

mvw
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