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Deep Dive Consulting – Kolumne von Jörg Hossenfelder War da was? Starkes Consulting-Geschäft führt Big Four auf deutlichen Wachstumskurs zurück

Branchenprimus über alle Segmente hinweg ist und bleibt PwC zusammen mit der Beratung Strategy&.
Die Geschäfte brummen, insgesamt legt der Marktführer in Deutschland um rund 14 Prozent auf 2,61 Milliarden Gesamtleistung zu. Auch der Branchenzweite EY wächst um 6,5 Prozent auf 2,28 Milliarden – als einziges Big-Four-Haus büßte EY jedoch im Audit-Geschäft ein. KPMG steigerte die Gesamtleistung in Deutschland um 9 Prozent auf 2,17 Milliarden Euro und schließt deutlich zum Branchenzweiten EY auf. Deloitte als Nummer 4 im Bunde bleibt zwar weiterhin das Schlusslicht der vier großen WP-Gesellschaften, geht jedoch mit einem Umsatzplus von knapp 24 Prozent auf 1,92 Milliarden Euro als der Durchstarter schlechthin hervor.

Abbildung 1: Geschäftszahlen 2021/22 der Big Four in Consulting und Advisory. (Quelle: Vorab-Auswertung aus der „Lünendonk-Studie 2023: Managementberatung in Deutschland“)
Consulting wird zum neuen Kerngeschäft der Big Four
Egal ob PwC, EY, KPMG oder Deloitte: Der Umsatzanteil, der mit dem ursprünglichen Kerngeschäft Prüfung generiert wurde, ist bei allen vier großen WP-Gesellschaften gesunken und beträgt nur noch rund 30 Prozent. Auf die Steuerberatung entfielen rund 25 Prozent der Gesamtleistung. Das Consulting hingegen wird immer mehr zum Umsatzbringer Nummer 1. Die Beratung von Unternehmen machte im vergangenen Jahr in Summe bereits 44 Prozent der Gesamterlöse der Big Four aus.
Es lohnt sich also, das Consulting-Geschäft der großen Vier etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dominiert wird das Beratungs-Business von PwC und Deloitte, die sich hier seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern.
PwC erzielte 2022 mit Consulting und Advisory eine Gesamtleistung von 1,12 Milliarden Euro und damit einen Zuwachs von beachtlichen 25 Prozent. Deloitte setzte 1,11 Milliarden an Umsatz um und scheint damit um eine Nasenlänge geschlagen. Ein genauer Vergleich ist jedoch nicht möglich, da Deloitte die Umsätze bekanntgibt, PwC hingegen die Gesamtleistung, die im Gegensatz zum Umsatz zusätzlich noch bereits erbrachte Leistungen aus noch nicht beendeten Projekten beinhaltet.
Bei den Zuwächsen (Consulting +46 Prozent; Financial Advisory +9,3 Prozent) hat Deloitte zumindest in diesem Jahr ein deutlich stärkeres Tempo hingelegt als PwC. Ob das so bleibt, wird sich zeigen – als Hemmschuh für künftiges Beratungsgeschäft könnten sich ausgerechnet die jüngsten Erfolge von Deloitte im Audit-Business erweisen. Deloitte hat in den vergangenen Monaten etliche Prüfmandate gewonnen, darunter von DAX-Unternehmen wie BASF, Deutsche Telekom, Merck oder RWE.
Aufgrund des im FISG festgesetzten Unabhängigkeitsgebots kann sich Deloitte damit nicht mehr um Beratungsprojekte bei all diesen Audit-Kunden bewerben.
Bei KPMG verhält es sich derzeit genau andersherum. Im Zuge der Prüferrotation musste die Gesellschaft einige Mandate abgeben und konnte damit, befreit von Interessenskonflikten, verstärkt um Consulting-Projekte pitchen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: KPMG setzte 2022 in der Beratung eine Gesamtleistung von 906 Millionen Euro um und wuchs damit um 17,2 Prozent. Auch EY legte im Beratungsgeschäft zweistellig zu - insgesamt betrugen die Umsätze für das Geschäftsjahr 2021/22 hier 787 Millionen Euro (Consulting: 401 Mio. Euro, +19,3 Prozent; Strategy and Transactions: 386 Mio. Euro, +4,4 Prozent). EY konnte damit die Verluste im Audit-Geschäft kompensieren.
Wie geht es bei EY nach der geplanten Aufspaltung weiter?
Die große Unbekannte für die künftige Entwicklung von EY wird jedoch die geplante Aufspaltung des Hauses in zwei voneinander getrennte Prüfungs- und Consulting-Gesellschaften sein. Die Ankündigung im vergangenen September sorgte in der Wirtschaftsprüferszene für einen Paukenschlag. Geplant ist, dass das Audit-Geschäft weiterhin als EY auftritt, während die Beratung unter neuem Namen an die Börse geht.
EY verspricht sich davon für beide Bereiche größere Wachstumschancen, da die Fesseln der Regulierung durch das FISG abgestreift werden und Interessenskonflikte kein Thema mehr sein werden, um nicht ein und denselben Kunden gleichzeitig zu beraten und zu prüfen.
Allein auf dem Audit-Markt sieht Henrik Ahlers, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY, daher weltweit ein zusätzliches Potenzial von 30 Prozent. Ein klarer Wettbewerbsvorteil also für EY, den auch die Mandanten zu schätzen wissen dürften. Bei einer anstehenden Prüferrotation müssten sie nun nicht mehr aufwändig und mitunter jahrelang im Voraus planen, welche Prüfung und welche Beratung in den internationalen Gesellschaften wann gewechselt werden müssen, um die im FISG geforderte Unabhängigkeit sicherzustellen.
PwC, KPMG und Deloitte setzen weiterhin auf Prüfung und Beratung unter einem Dach
Die Vorteile der Trennung scheinen auf der Hand zu liegen, und doch halten die drei anderen der Big Four weiterhin am integrierten Ansatz fest. Sind Prüfung und Beratung unter einem Dach vereint, wird die Zusammenarbeit in einem Bereich schnell zum Door Opener für anschließende Projekte im anderen Bereich.
PwC, KPMG und Deloitte schätzen am multidisziplinären Geschäftsmodell auch, dass es mehr Flexibilität bietet, Mitarbeitenden vielfältige Entwicklungen zu ermöglichen oder Kapazitäten dort einzusetzen, wo sie gerade am dringendsten gebraucht werden. Sie dürften die Abspaltung der Beratungssparte auch deshalb scheuen, weil sie deutlich lukrativer und als Arbeitgeber attraktiver ist.
EY indes geht den Weg der Trennung von Prüfung und Beratung weiter, wenn er auch holprig ist. Zunächst sollte das Projekt – genannt „Everest“ – bereits im Sommer 2023 stehen. Interne Konflikte um die komplexe Aufteilung von Personal und Finanzen sorgten für Verzögerungen. Der Börsengang der neuen Consulting-Einheit dürfte damit frühestens 2024 kommen. Von der Größe her könnte das Unternehmen dann in einer Liga mit McKinsey, BCG, Bain & Company und Roland Berger spielen. Somit hat nicht nur der Wirtschaftsprüfungsmarkt seine Revolution – auch für die Consulting-Branche dürfte der Eintritt der abgespaltenen EY-Beratungseinheit einiges in Bewegung bringen.
Über die Person
Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater B2B-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.
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