Fachartikel Bernhard Kuntz Warum Beratung verkaufen auch eine Kunst der Kommunikation und Beziehung ist

Was ist Beratung, Training oder Coaching? Letztlich handelt es sich hierbei stets um strukturierte Kommunikationsprozesse – zum Beispiel mit dem Ziel, dass Unternehmen künftig mehr verkaufen. Oder, dass Mitarbeiter neue Herausforderungen selbstbewusster angehen. Deshalb achten die potenziellen Kunden von Beratern, gleich welcher Couleur, bei ihrer Entscheidung "Wem erteile ich einen Auftrag?" stark auf deren Kommunikationsverhalten. Also sollten alle Berater professionelle Kommunikatoren sein – unabhängig davon, ob auf ihrer Visitenkarte Finanz- oder Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Managementconsultant, Coach oder Mediator steht.
Hinzu kommt: Niemand kauft Beratung spontan – weil er gerade Lust darauf verspürt. Dafür ist die persönliche Dienstleistung Beratung aus Kundensicht zu teuer. Außerdem ist sie mit zu vielen Kaufrisiken behaftet (siehe Grafik). Deshalb geht ihrem Kauf stets ein längerer Entscheidungsprozess voraus, in dem Kunden allmählich zur Überzeugung gelangen "Dieser Berater bietet mir den angestrebten Nutzen". Also müssten eigentlich alle Berater sehr gute Beziehungsmanager sein

Das sind sie leider oft nicht – zumindest gewinnen ihre (Noch-nicht-)Kunden häufig diesen Eindruck. Auch aus Gründen, die ihre Wurzeln in der Arbeitssituation von Beratern haben:
- Die meisten Berater sind viel auf Achse. (Oder waren dies zumindest bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie.) Deshalb können sie in ihre Alltagsarbeit oft schwer eine systematische Kommunikation mit ihren Kunden integrieren. Telefoniert und kommuniziert wird, wenn gerade Zeit ist.
- Viele Berater sind Einzelkämpfer. Deshalb bekommen sie selten ein ehrliches Feedback über ihr Kommunikationsverhalten. Ihr einziges Feedback ist meist: Kunde erteilt Auftrag oder nicht.
Berater schludern oft bei der Kommunikation
Doch entscheidender ist: Vielen Beratern ist nicht ausreichend bewusst, dass für ihre (Noch-nicht-)Kunden ihr Kommunikationsverhalten ein wichtiger Indikator für ihre Kompetenz ist. Deshalb schludern sie bei der Kommunikation mit ihren Zielkunden. Das heißt: Sie gestalten diese nicht professionell. Hierfür drei Beispiele:
- Beispiel 1: Oft rufen Berater Kunden an, während sie mit ihrer Limousine über die Autobahn rasen - von einem Funkloch ins nächste. Entsprechend ist die Kommunikation: für die Ohren der Zielkunden ein Graus.
- Beispiel 2: Häufig speisen Berater wichtige Zielkunden mit einer solchen Fast-Food-Kommunikation wie Twitter-Meldungen oder LinkedIn-Posts und elektronischen Massenmails ab, obwohl sie von ihnen "fette Aufträge" bekommen möchten. Als Ausdruck einer individuellen Wertschätzung erleben die "Sehr verehrten Kunden" eine solche Billig- und Fast-Food-Kommunikation nicht.
- Beispiel 3: Oft kommunizieren Berater sogar mit Schlüsselkunden nur persönlich, wenn sie einen (Folge-)Auftrag haben möchten. Die Folge: Die Zielkunden nehmen den Berater primär als Verkäufer und nicht als einen auch im persönlichen Umgang angenehmen Problemlöse-Partner wahr. Also bauen sie zu ihm keine emotionale Beziehung auf. Entsprechend schnell wechseln sie den Anbieter, wenn ein Mitbewerber ihnen sympathischer ist und sie sich von ihm mehr gewertschätzt fühlen.
Den Beziehungsauf- und -ausbau systematisch planen
Beratung, Training und Coaching sind ein People-Business. Also müssen Berater ein professionelles Beziehungs- und Kommunikationsmanagement betreiben. Berater, die ein solches aufbauen möchten, sollten sich folgende Fragen stellen.
Frage 1: Wer sind meine Zielkunden?
Zum Beispiel Privatpersonen oder Organisationen? Top- oder Mittel-Manager in Konzernen? Mittelständler oder Freiberufler? Steht dies fest, können sie unter anderem ermitteln: Von welchen Personen (und Organisationen) sollte ich die Kontaktdaten ermitteln und in meiner Datenbank speichern, um mit ihnen in Kontakt treten zu können? Sie können zudem ermitteln: Wo kann ich mit den Zielpersonen einen persönlichen Erstkontakt knüpfen? Zum Beispiel auf LinkedIn? Oder auf der Messe x oder dem Kongress y? Oder im Verband z?
Frage 2: Welche speziellen Bedürfnisse/Probleme haben meine Zielpersonen?
Stehen sie zum Beispiel unter einem enormen Wettbewerbs- und Digitalisierungsdruck? Oder finden sie nur schwer qualifiziertes Personal? Oder sind sie als Selbstständige, die "ständig selbst" arbeiten, von einem Burn-out bedroht? Dies genau zu analysieren, ist wichtig, denn hieraus ergibt sich: Über welches Ohr kann der Berater die Zielpersonen erreichen? Und: Für welche Art von Hilfe/Information wären sie vermutlich dankbar?
Frage 3: Über welche Kanäle kann ich mit den Zielpersonen kommunizieren?
Nun gilt es bezogen auf die verschiedenen Teilzielgruppen zunächst zu ermitteln: Über welche Kanäle könnte ich mit ihnen kommunizieren? Zum Beispiel per Post oder Mail? Oder via Telefon? Oder über die verschiedenen Social Media?
Frage 4: Über welche Kanäle sollte ich mit ihnen kommunizieren?
Sich mit dieser Frage intensiv zu befassen, ist aus folgendem Grund wichtig: Selbstverständlich kann ein Berater zum Beispiel mit Top-Managern auch weitgehend mit so standardisierten Instrumenten wie elektronischen Massenmails kommunizieren. Fraglich ist aber, ob er den Adressaten so das Gefühl vermittelt "Hier interessiert sich jemand ernsthaft für mich". Vermutlich nicht! Also sollte der Fokus bei solchen Zielpersonen auf der persönlichen Kommunikation liegen (zum Beispiel per Brief oder Telefon), während die elektronische Kommunikation eventuell eine unterstützende Funktion hat.
Den Kommunikationsprozess definieren
Hat ein Berater obige Fragen beantwortet, kann er sein Kommunikationskonzept entwerfen. Dieses kann wie folgt aussehen:
Allen in meinem Adresspool gespeicherten (Noch-nicht-) Kunden maile ich sechs Mal pro Jahr einen Newsletter. Und die Entscheider in den Unternehmen? Die rufe ich zudem alle vier Monate an und lade sie persönlich zwei Mal pro Jahr zu einem offenen Seminar oder Vortrag oder Webinar ein. Und die Top-Entscheider, mit denen ich bereits hohe Umsätze erziele oder in den nächsten zwei Jahren erzielen möchte? Die besuche ich außerdem ein, zwei Mal pro Jahr und schreibe ihnen mindestens ebenso oft einen persönlichen Brief, in dem ich sie zum Beispiel zu einem Kundenevent einlade oder ihnen anlassbezogen zu irgendetwas gratuliere – zum Beispiel zum Mut eine neue Produktlinie zu starten. Oder für den tollen Jahresabschluss.
Den Kommunikationsprozess in die Praxis umsetzen
Hat ein Berater ein solches mehrstufiges Kommunikationskonzept entwickelt, dann kann er dieses auch operationalisieren. Das heißt, er kann zunächst die hieraus sich ergebenden (Teil-)Aufgaben definieren. Hierfür ein Beispiel: Angenommen ein Berater möchte zwölf Mal pro Jahr seine Zielkunden anschreiben, mit dem Ziel, dass
- er bei den Bestandskunden nicht in Vergessenheit gerät und
- sich im Hinterkopf der potenziellen Neukunden, mit denen er noch keine Beziehung hat, allmählich sein Name verknüpft mit der Botschaft "Spezialist für ...." verankert, so dass diese ihn bei Bedarf kontaktieren.
Angenommen zudem der Berater möchte den Zielkunden
- sechs Mal pro Jahr einen Newsletter zu Kernthemen seiner Arbeit,
- vier Mal pro Jahr eine Checkliste, die den Zielkunden bei ihrer Alltagsarbeit von Nutzen sein könnte, oder einen entsprechenden Artikel und
- zwei Mal eine Einladung zu einem offenen Seminar oder Vortrag oder einem Kundenevent senden.
Dann ist eine Voraussetzung hierfür, dass der Berater über einen qualifizierten Adresspool verfügt, der auch selektive Teilabfragen ermöglicht (ein solcher fehlt vielen Beratern, weshalb sie ihren Markt faktisch nicht bearbeiten können). Hieraus ergibt sich folgende Aufgabe: Entweder muss ein solcher Adresspool aufgebaut oder der vorhandene gepflegt und ausgebaut werden.
Hieraus können sich wiederum zum Beispiel folgende Teilaufgaben ergeben:
- Wir durchforsten systematisch solche Social-Media wie LinkedIn nach Personen, die als Funktionsbeschreibung "Head of HR" oder "Head of people and culture" angeben.
- Wir werten jeden Monat die für unsere Zielkunden relevanten Fachzeitschriften bezüglich der Namen potenzieller Kunden aus, recherchieren deren Adressen und speichern diese, passend codiert, in unserem Adresspool.
- Wir werten die Mitgliederverzeichnisse der Verbände x und y, in denen viele unserer Zielkunden Mitglied sind, nach Adressen potenzieller Kunden aus und nehmen diese in unsere Datenbank auf.
Definierte und operationalisierte Aufgaben kann man delegieren
Dasselbe gilt für das Erstellen der Newsletter, die der Berater im Rahmen seines Marketing- und Kommunikationskonzepts versenden möchte. Auch mit deren Erstellung und Versand sind gewisse Teilaufgaben verbunden – zum Beispiel das Erstellen eines Themenplans, das Verfassen der darin erforderlichen Meldungen und Artikel, das Layouten der Newsletter. Auch diese Teilaufgaben gilt es definieren. Denn wenn die Aufgaben definiert sind, können sie nicht nur terminiert, sondern zumeist auch delegiert werden – zum Beispiel an eine administrative Hilfskraft oder einen Freelancer.
Das heißt: Der Berater kann zum Beispiel mit seiner Hilfskraft vereinbaren: "Ich markiere jeweils bis zum 5. eines Monats in den zu Monatsbeginn erschienenen Fachzeitschriften A, B und C mit einem Marker die Namen der erwähnten Unternehmen, die für uns eventuell interessant wären, und Sie recherchieren dann bis zum 15. deren Adressen und geben diese in unsere Datenbank ein." Oder: "Ich erstelle bis zum 10. April den Rohentwurf eines Artikels zum Thema 'Mitarbeiter im Homeoffice führen' und Sie schleifen das Manuskript dann und entwerfen ein passende Grafik, so dass wir den Artikel in unseren nächsten Newsletter integrieren können".
Hieran scheitern die meisten Marketing- und Kommunikationskonzepte von Beratern (sofern sie überhaupt existieren): Die damit verbundenen Teilaufgaben werden eigentlich nie so weit operationalisiert, dass sie terminiert und gegebenenfalls delegiert werden können – und dies obwohl eine der Lieblingsvokabeln vieler Berater "Commitment" lautet und sie bei Projekten in Unternehmen permanent von "Meilensteinen" und "To-do-Plänen" schwatzen.
Wenn es jedoch um ihr Marketing geht, dann sind die meisten Berater extrem inkonsequent.
Nur ganz selten findet man Berater, die den Marketing- und Vertriebsprozess, obwohl er ein Kernprozess in ihrer Organisation ist, soweit operationalisiert haben, dass die damit verbundenen Teilaufgaben als feste Termine in ihren Kalendern stehen.
Bei der Kommunikation stets Ziele und den Reifegrad der Beziehung beachten
Wichtig ist dabei jedoch, dass die Berater allen vorgenannten Aktivitäten oder Teilaufgaben stets vor Augen haben, was die zentralen Ziele der Kommunikation mit den (Noch-nicht-)Kunden sind:
- Der Berater möchte sich als attraktiver, weil sympathischer und nutzenstiftender Partner profilieren. Entsprechend sollten die Kommunikationsinhalte sein. Das heißt, der Berater sollte den Zielpersonen nicht nur Werbung für seine Leistungen senden – denn so profiliert er sich nur als Verkäufer. Er sollte den Adressaten vielmehr (scheinbar ohne Verkaufsabsicht) auch mal Dinge senden, die diesen einen (kostenlosen) Mehrwert bieten. Dies kann ein Artikel über die Entwicklung in ihrer Branche sein. Oder eine Checkliste für das Analysieren von Problemen.
- Der Berater möchte, dass die Zielkunden, wenn bei ihnen ein Bedarf entsteht, an ihn denken. Hierfür muss die Kommunikation eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, damit sich der Name des Beraters verknüpft mit der Botschaft "Spezialist für ..." im Kopf der Zielkunden verankert. Deshalb sollte sich die Kontaktfrequenz an der Maxime "Mäßig, aber regelmäßig" orientieren. "Regelmäßig," damit sich der Name verankert, und "mäßig" – also mit Augenmaß – damit sich die Zielkunden nicht belästigt fühlen.
Dabei gilt es zu beachten: Je enger die Beziehung zu einem (Noch-nicht-)Kunden ist, umso persönlicher sollte die Kommunikation sein. Und umso stärker sollten die Kommunikationsinhalte auf den Partner zugespitzt sein. Das heißt: Noch-nicht-Kunden kann ein Berater zum Beispiel durchaus recht allgemeine Infos über typische Herausforderungen senden, vor denen Unternehmen seiner Branche oder Größe stehen – zum Beispiel aufgrund der Corona-Pandemie. Oder weil die Rohstoffe-Preise steigen. Anders ist dies bei Personen, mit denen bereits seit Jahren eine Kundenbeziehung besteht. Bei ihnen sollte es sich auch in der Kommunikation widerspiegeln, dass der Berater den Kunden und sein Unternehmen persönlich kennt. Folglich darf der Berater seinen "Sehr geehrten Kunden" nicht nur mit einer solchen Billig-Kommunikation wie standardisierten Newslettern und einer solchen Fast-food-Kommunikation wie in den Social Media abspeisen.
Auch an die Alltagskommunikation denken
Beachtet ein Berater die genannten Punkte, dann steht sein Kontakt- und Beziehungsmanagement auf einem soliden Fundament. Zudem sollten Berater jedoch Regeln für ihre Alltagskommunikation mit Kunden für sich und ihre Mitarbeiter fixieren. So zum Beispiel: "Ich sage, wenn mich jemand anruft, stets 'Guten Tag' und nenne meinen vollen Namen" – selbst dies ist bei manchen Beratern nicht selbstverständlich. Oder: "Ich rufe Kunden nie aus dem fahrenden Auto an." Oder: "Ich rufe Kunden nur an, wenn ich nicht unter Zeitdruck stehe – denn nur dann bin ich ein aufmerksamer und geduldiger Zuhörer." Oder: "Wenn ich eine Mail schreibe, formuliere ich stets auch einen inhaltlich passenden Betreff – auch beim Beantworten von Mails." Denn auch solche scheinbaren Kleinigkeiten tragen mit dazu bei, welches Bild von dem Berater im Kopf des Kunden entsteht und ob er ihm einen (Folge-)Auftrag erteilt – zu Recht, denn letztlich verkaufen (fast) alle Berater ihren Kunden nur "strukturierte Kommunikation".
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/jre
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