Consulting im Style-Check – Kolumne von Wolfram Saathoff Skynet für ganz, ganz Arme – wie Künstliche Intelligenz uns nicht helfen kann

Keine Angst, der will nur kopieren! (Bild: Haus am Meer)
Als ich das erste Mal außerhalb von Science-Fiction von Künstlicher Intelligenz hörte, handelte es sich um ein Produkt von Microsoft, das ›Project Natal‹, das im Rahmen der Electronic Entertainment Expo 2009 vorgestellt wurde. Auf einem Monitor sah man einen CGI-generierten Jungen namens Milo. Und mit diesem Jungen konnte man interagieren, sich mit ihm unterhalten, er konnte Gesichtsausdrücke korrekt lesen, Bilder, die man für ihn gemalt hat, erkennen und ›in die Hand nehmen‹. Gucken Sie sich das Video ruhig mal an – das ist jetzt ganze vierzehn Jahre her!
Aus Copy & Paste entsteht Kultur
Seit auf diesem wundervollen Planeten Menschen umher wandern, lernen sie. Da hat vielleicht mal einer unserer Ururururvorfahren einem Säbelzahntiger am Schwanz gezogen, woraufhin das Tier ihn aufaß. Blöd für den betroffenen Menschen, gut für die Umstehenden, die daraus lernten, dass es keine allzu gute Idee ist, einem Säbelzahntiger am Schwanz zu ziehen. Ein anderer kam auf die Idee, dem Tier stattdessen mit einem Speer auf den Pelz zu rücken und siehe da: Leckere Säbelzahntigersteaks für die nächsten drei Wochen. Andere Urmenschen schauten sich das ab und keine zwei, drei Jahre später waren die Säbelzahntiger ausgestorben.
So funktioniert Kultur: Man schaut sich an, was die anderen so machen. Wenn’s gut läuft, kopiert man, entwickelt weiter und teilt dann dieses Wissen. Oder man patentiert es und lässt sich dafür fürstlich entlohnen. So oder so:
Ohne Copy & Paste wären nicht nur die vielen nullsagenden Zitatpostings auf LinkedIn, die die Welt braucht wie ein drittes Ohr auf der Stirn, unmöglich, sondern auch Fortschritt, der genau dort entsteht, wo jemand mit Kreativität das bestehende Wissen nimmt und es weiterentwickelt.
KI wird uns nicht ersetzen
Womit wir bei der Achillesferse aller noch so künstlichen Intelligenz wären. Ihr lieben FDP-wählenden Solutionisten da draußen müsst jetzt mal ganz mutig sein: KI wird unseren Alltag verändern, ja. Sie wird ihn einfacher machen. Aber sie wird uns nicht ersetzen. Und sie kann es nicht noch nicht, sondern sie wird es niemals können. Ausrufezeichen. Technologieoffenheit in allen Ehren – aber die schlägt doch allzu schnell in Technologienaivität um.
Jeopardy gewinnen geht, aber sonst?
Woher stammt nun also die Faszination für Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT? Mal abgesehen von dem wohligen Gegrusel einer möglichen Dystopie, in der die Maschinen uns voll Terminator-mäßig unterjochen oder zumindest überflüssig machen, schlimm genug.
Davor wurde bei IBMs Ausflug in die Welt der KI gewarnt, deren drei Jahre vor Milo entwickeltes Projekt ›Watson‹ 2011 sogar die amerikanische Version von Jeopardy gewann. Damals hieß es, Künstliche Intelligenz würde Anwälte arbeitslos machen, denn Watson konnte als semantische Suchmaschine unter anderem hervorragend juristische Datenbanken durchsuchen und zusammenfassen. Die Realität sieht anders aus: Im Gegensatz zum Säbelzahntiger sind Anwälte leider nicht ausgestorben. Ich empfehle dazu auch die Folge des Podcasts ›Lanz und Precht‹ zum Thema KI.
Kreativität macht den Unterschied
Warum also kann KI uns Menschen nicht ersetzen und wird es auch niemals können? Weil ihr eine menschliche Fähigkeit fehlt, die die natürliche Intelligenz der künstlichen voraushat: Die Kreativität. Der italienische Künstler Maurizio Cattelan klebte auf der Art Basel in Miami eine Banane an die Wand und nannte diese Installation ›Comedian‹. Wo jeder von uns vor steht und sagt: »Das könnte ich auch!«, käme eine KI niemals überhaupt auf diese Idee. Und ebenso wenig, diese Banane von der Wand zu nehmen, sie aufzuessen und diese Aktion dann ›Hungry Artist‹ zu nennen, wie es der amerikanische Künstler David Datuna tat. Ich bin mir aber sicher, dass ChatGPT mir wahnsinnig viele Bilder dieses – sagen wir mal großzügig – ›Ereignisses‹ heraussuchen und nach Dateigröße vorsortieren kann.
Wobei kann KI denn dann überhaupt helfen?
Was bedeutet das nun für Ihr Marketing? Nun, wenn Sie zu denjenigen gehören, die total meaningfulle Zitate in den Businessnetzwerken posten (ganz abgesehen davon, dass Sie jetzt sofort damit aufhören sollten, das Internet weiter zuzumüllen!), könnte die KI Ihnen dabei helfen, gute Zitate zu sammeln, diese zu sortieren und so weiter. Die Entwicklung eines Logos hingegen, einer Marketingkampagne oder Ihrer Websitetexte sollten sie der künstlichen Ideenlosigkeit aber nicht überlassen. Zumindest wenn Sie am Ende nicht aussehen wollen, als hätten Sie sich Ihren Auftritt aus denen Ihrer Mitstreiter zusammengecopyandpastet als wären Sie Frankensteins Monster.
Insofern bin ich als Kreativer frohen Mutes: Der Terminator kann mir bestimmt sehr, sehr weh tun. Aber meinen Job machen kann er nicht!
Künstliche Intelligenz kann mir aber dabei helfen, große Datenmengen zu überblicken und so zum Beispiel Zielgruppen zu definieren. Sie kann für mich recherchieren, welche Informationen es zu dem Thema einer Kundin bereits gibt und sie mir übersichtlich aufbereiten. Sie eröffnet mir im Bereich Trend- und Marktforschung vollkommen neue Möglichkeiten. Kurz: Sie kann Fleißaufgaben erledigen, und das kann sie sogar sehr gut. Die Aufgaben stellen, das kann sie aber nicht. Das Denken muss ich also zum Glück weiterhin selbst übernehmen.
Schließen möchte ich mit einem Zitat von ChatGPT, der/die/das auf die Frage nach der besten Werbeagentur für Beraterinnen und Berater nicht Haus am Meer nannte (weiß halt auch nicht alles), aber trotzdem ganz klug zu antworten wusste:
Ultimately, the best marketing agency for consultants will depend on your specific needs and goals, so it’s important to do your research and choose an agency that aligns with your business objectives and values.
This I can only attach myself to!
Über die Person
Warum sehen Beratungsunternehmen eigentlich so aus wie sie aussehen? Diese Frage stellt sich Wolfram Saathoff (Schuhgröße 43) in seiner monatlichen Kolumne. Der Kommunikationsdesigner und Trendforscher hat in Hamburg an der Design Factory International studiert und führt seit 2004 zusammen mit seinem Partner in Crime Steffen Kratz die Werbeagentur Haus am Meer in Barcelona. Gemeinsam machen sie die Beratungsbranche schöner. Mehr über die Agentur für Berater: www.hausammeer.org
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