Deep Dive Consulting: Kolumne von Jörg Hossenfelder, Lünendonk Wie Phönix aus der Asche: Der Beratungsmarkt findet zu alter Stärke zurück

Der deutsche Managementberatungsmarkt hat 2021 laut BDU ein Volumen von 38,1 Milliarden Euro erreicht – und legt damit in Zeiten, die von Pandemie, Lieferengpässen und konjunkturellen Schwankungen geprägt ist, um beachtliche 10,1 Prozent zu. Unsere kürzlich veröffentlichte Lünendonk-Liste der führenden deutschen Managementberatungs-Unternehmen zeichnet ein noch positiveres Bild: Die 20 größten Consulting-Häuser mit Hauptsitz in Deutschland sind 2021 im Mittel gar um 16,6 Prozent gewachsen. Unbestritten, dass dieser Zuwachs auch von Nachholeffekten geprägt ist, nachdem der Marktumsatz im Vorjahr 2020 erstmals nach mehr als einem Jahrzehnt rückläufig war (-6,8 Prozent).
Im zweiten Corona-Jahr haben sich Beratungen und Kunden an das New Normal angepasst – Remote Consulting und weitere Covid-19-Impacts sind nun Beratungsalltag.
Roland Berger, Simon-Kucher und Q_Perior führen Riege der deutschen Beratungen an
Roland Berger behauptet sich weiterhin als unangefochtene Nummer eins im Ranking der deutschen Beratungen. Mit 745,0 Millionen Euro stieg der Gesamtumsatz um 26,3 Prozent. Rang zwei belegt Simon-Kucher (442,6 Mio. Euro; +22,4 Prozent), auf dem dritten Platz liegt Q_Perior (235,0 Mio. Euro; +4,4 Prozent). D-fine springt in der Lünendonk-Liste 2022 auf Rang sechs, hinter Horváth (Rang 4) und Porsche Consulting (Rang 5). Dieses Verfolgerfeld der Top drei erzielte jeweils mehr als 200 Millionen Euro Gesamtumsatz. Die Top 10 werden komplettiert von zeb, Detecon, KPS und Goetzpartners auf den Plätzen sieben bis zehn.
Unter den Top 20 Consulting-Häuser – die Lünendonk-Liste umfasst in diesem Jahr aufgrund einer verbesserten Datenlage erstmals die 20 führenden Beratungen deutscher Herkunft, nachdem zuvor Top-10- und Top-15-Rankings veröffentlicht wurden – erzielt Berryls mit einem Umsatzplus von 162,8 Prozent auf 41,0 Millionen Euro das größte Wachstum. Über Durchschnitt gewachsen sind auch Miebach (+35,7 Prozent), Ingenics (+29,9 Prozent), Cassini (+29,5 Prozent), Unity (+27,5 Prozent) und h&z (+26,2 Prozent).
Internationale Beratungskonzerne dominieren den deutschen Markt
So positiv die Entwicklung der deutschen Beratungshäuser auch ist – dominiert wird der Markt hierzulande von den internationalen Consultants. Die 17 führenden internationalen Anbieter der Lünendonk-Liste generierten im Jahr 2021 geschätzt 136,4 Milliarden Euro Umsatz weltweit. Davon entfallen 10,5 Milliarden Euro auf Deutschland (2020: 8,2 Mrd. Euro; +28 Prozent). Im Vergleich dazu: Die deutschen Top 20 erzielten 2021 weltweit 3,29 Milliarden Euro Umsatz (Vorjahr 2020: 2,83 Mrd. Euro), dabei entfielen etwa 60 Prozent des Umsatzes auf den deutschen Markt.
Das Feld der internationalen Anbieter zeigt sich sehr heterogen. Auf dem Markt agieren große Strategieberatungen, Gesamtdienstleister sowie spezialisierte Beratungsunternehmen aus dem HR-Sektor. Marktführer in Deutschland sind die internationalen Strategieberatungen McKinsey, BCG und Bain, gefolgt von den Advisory-Einheiten der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte und PricewaterhouseCoopers sowie der Consulting-Einheit von Accenture.
Auffallend ist: Das Beratungsgeschäft der sogenannten Big Four Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaften – Deloitte, EY, KPMG und PwC – übertrifft in Deutschland 2021 insgesamt die erzielten Erlöse aus dem ursprünglichen Kerngeschäft mit Audit & Tax.
PwC, KPMG und Deloitte setzen im Segment „Advisory“ am meisten um, allein bei EY liegen die Erlöse aus dem Beratungsgeschäft knapp hinter den Umsätzen aus dem Tax-Segment. Auf weltweiter Basis legte vor allem KPGM mit einem Zuwachs von 17,0 Prozent zum Vorjahr im Beratungsgeschäft zu.
Wachstum allerorten
Allerorten stehen die Zeichen auf Wachstum. Nicht nur die Big Three McKinsey, BCG und Bain werben offensiv für ihre Wachstumsstrategie, deren aktuelle Treiber die Digitalisierung von Lieferketten und Geschäftsmodellen sowie das M&A Business sind. Kein Weg geht mehr an Nachhaltigkeitsthemen vorbei – und mit der aktuellen Energiekrise wird Expertise im Bereich Sustainability noch gefragter. Zukunftsthemen wie KI, Big Data oder Purpose sollen die Beratungsfelder sein, die künftig Umsatz bringen – auch mithilfe von Übernahmen kleinerer Wettbewerber, die bereits Know-how in diesen Bereich mitbringen.
Die Kehrseite der Medaille: Der wachsende Markt und der intensive Konkurrenzkampf verstärken den Wettbewerb um die Köpfe im Beratungsgeschäft noch mehr.
Einträgliche Margen und knapp verfügbare Experten lassen die Vergütungen für Consultants steigen, Abwerbungen sind an der Tagesordnung – mit erheblichen Auswirkungen auf die Fluktuation. In unseren Erhebungen für die diesjährige Managementberatungsstudie stellen wir eine Fluktuation von im Mittel 13,3 Prozent fest – der höchste Wert seit der ersten Abfrage vor acht Jahren. McKinsey vermeldet für 2021 gar eine Fluktuation von 17 Prozent.
Dass das für eine gesunde Marktbalance zu hoch ist, liegt nahe. Dreht sich das Personalkarussell zu schnell, sorgt dies für Unruhe in den Beratungen und für hohe Kosten, die durch Rekrutierung, Einarbeitung und Know-how-Verlust entstehen. Steigende Gehälter kommen hier noch dazu. Um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, will mehr als ein Drittel der Consulting-Unternehmen die Gehälter im Durchschnitt zwischen 3,0 und 4,5 Prozent anheben.
Aktuelle Herausforderungen trüben Umsatzprognosen bisher kaum
Noch scheint der Beratungsmarkt mit diesen Entwicklungen gut leben zu können. Aktuelle Herausforderungen wie der Ukraine-Krieg, steigende Energie- und Herstellungskosten sowie die damit verbundene Inflation beeinflussen die Umsatzprognosen der führenden Managementberatungen kaum: Die deutschen Top 20 planen im Geschäftsjahr 2022 ein Wachstum von 15,4 Prozent, die internationalen Consultants um 11,5 Prozent.
Je länger die geopolitischen Verwerfungen, die unsichere Energieversorgung sowie die hohe Inflation anhalten, desto stärker könnte dieser ungebrochene Optimismus ins Wanken geraten.
Zumindest dürften bei den Kunden und Mandanten neben den Zukunfts- und Wachstumsthemen bald verstärkt wieder Restrukturierungsfragen auf der Agenda nach oben rücken.
Das Ranking der führenden 20 deutschen und 17 internationalen Managementberatungen steht unter www.luenendonk.de zum Download bereit. Die umfassende Lünendonk-Studie, für die in diesem Jahr 70 in Deutschland aktive Managementberatungen im Zeitraum Februar bis Mai 2022 befragt worden sind, erscheint Ende Juli.
Über die Person
Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater B2B-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.
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