Deep Dive Consulting: Kolumne von Jörg Hossenfelder, Lünendonk Wie sich die Beratungswelt verändert hat und verändern wird – 2008, 2020 und morgen

Jörg Hossenfelder, Geschäftsführer von Lünendonk & Hossenfelder, schaut zurück: Wie gut konnten die heutigen Entwicklungen in der Managementberatung im Jahre 2008 vorhergesehen werden? Heute sind die Planungszyklen kürzer, die Führung agiler, die Welt volatiler – und Kunde sowie Mitarbeiter stehen stärker im Fokus. Es sind VUCA-, Führungs- und HR-Themen, die das Consulting von heute prägen.

Jörg Hossenfelder (Bild: SNFV GmbH)

Ein Blick zurück ins Jahr 2008

Wer in die Zukunft blickt, sollte die Vergangenheit kennen. Daher starten wir die erste Lünendonk-Kolumne mit einem Rückblick in den Consulting-Markt: Anlässlich des 25-jährigen Bestehens unseres Marktforschungsunternehmens Lünendonk & Hossenfelder erschien im Jahr 2008 das Fachbuch "Dienstleistung: Vision 2020". Gemeinsam mit Führungspersönlichkeiten von B2B-Dienstleistungshäusern wagten wir damals den Blick in die Zukunft. Dem wichtigen Marktsegment Business Consulting widmeten wir ganze vier Kapitel. Die Autoren waren: Burkhard Schwenker (Roland Berger), Markus Diederich und Burkhard Wagner (Kienbaum), Michael Büttner (Capgemini) und Thomas Lünendonk gemeinsam mit Lünendonk-Chefvolkswirt Dr. Heinz Streicher. 

2008 erschienen: Dienstleistungen Vision 2020 (Bild: Autor)
2008 erschienen: Dienstleistungen Vision 2020 (Bild: Autor)

Einst gab es längere Planungszyklen in der Beratung

Zu Beginn der 90er Jahre orientierten sich Berater an folgenden Planungszyklen, an denen sich Führung und Strategie ausrichteten: langfristig zehn Jahre, mittelfristig fünf Jahre und kurzfristig ein Jahr. Die Kurzfrist-Planung wurde jährlich anhand der Mittelfrist-Planung justiert. Und bei der Organisationsstruktur gingen die Berater von einem Zeitraum von sieben Jahren aus. 

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Im Vorgriff: Globalisierung, Nachhaltigkeit und steigende Komplexität in der Unternehmensplanung

Was passierte im Zeitraum einer Dekade? Blicken wir zurück. Während im Jahr 1995 nur 0,4 Prozent der Weltbevölkerung das Internet nutzten, waren es 2008 fast 22 Prozent. Und die Anzahl der Mobilfunknutzer erhöhte sich von 65.000 in 1981 auf 3,5 Milliarden in 2008. Asienkrise, Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende und schwankenden Ölpreisen zwischen zehn und 150 US-Dollar prägten die Berater. 

Davon beeinflusst, sahen die Autoren im Jahr 2008 folgende Trends vorher:

  1. stark zunehmende Globalisierung,
  2. komplexere Unternehmensplanung,
  3. schwer zu überschauende Rückkopplungen aus beiden Dimensionen und
  4. wachsende Bedeutung von Klima und Nachhaltigkeit 

Die Forecasts waren gar nicht so schlecht, und auch die Themen Blockchain, KI/ML und datenbasierte Geschäftsmodelle wurden erkannt aufgrund der stark wachsenden Möglichkeiten innerhalb der IT. 

Die Halbwertszeit der Prognosen für das Jahr 2020

Für das Jahr 2020 stellten die Autoren des genannten Fachbeitrags seinerzeit folgende acht Prognosen:

  1. Aufgrund der IT-Fortschritte können Unternehmen viel größer werden, ohne außer Kontrolle zu geraten
  2. Wer überproportional wachsen will, muss global denken
  3. Deregulierung in vielen Wirtschaftsräumen forciert Wachstum
  4. Wer am internationalen Kapitalmarkt Geld beschaffen möchte, muss sich global benchmarken lassen
  5. Diffusere Kundenbilder erschweren den Vertrieb
  6. Wachsende Bedeutung der Wirtschaftsräume China, Indien und Russland
  7. Kampf um Personal
  8. Erderwärmung und Nachhaltigkeit rücken in den Fokus 

Die Glaskugel hat doch ganz gut funktioniert

Es ist erstaunlich, wie viele der 2008 gemachten Annahmen für das Jahr 2020 eingetroffen sind. Lediglich eine Pandemie wie Covid-19 hatte niemand auf dem Schirm, wenngleich es erneut deutlich wurde, wie wichtig eine starke Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und entsprechend der Führungskräfte ist. VUCA und Resilienz fanden Einzug in die Beraterliteratur und prägen den Consultant von heute. Für die kommenden fünf Jahre sehen die Analysten von Lünendonk den Trend zur Transformationsberatung. Das bedeutet, die Grenzen zwischen Strategieberatung und Organisations- und Prozessberatung weichen auf, so wie wir das heute schon in den USA beobachten. Dies könnte zu einer Marktkonsolidierung sorgen. Hierauf wird auch die neue Lünendonk-Studie eingehen, die im Sommer 2021 veröffentlicht wird. Wir sind gespannt, ob unsere Prognosen eintreten werden.

Jörg Hossenfelder (Bild: Lünendonk & Hossenfelder)
Jörg Hossenfelder (Bild: Lünendonk & Hossenfelder)
Jörg Hossenfelder ist Kommunikations- sowie Politikwissenschaftler und studierte bis 2000 an den Universitäten Mainz und Bologna. Nach seinem Studium beriet er als Kommunikations-Berater Business-to-Business-Unternehmen. 2004 übernahm er die Leitung der Research-Abteilung bei Lünendonk & Hossenfelder. Seit Juli 2005 ist Hossenfelder Geschäftsführer, seit 2009 Geschäftsführender Gesellschafter. Jörg Hossenfelder verantwortet die Marktsegmente Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Advisory und Business Consulting.

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Heiner Schülke am 26.01.2021
    Es ist gut auf den Punkt gebracht: Die Grenzen zwischen Strategieberatung und Organisations- und Prozessberatung weichen auf. Aus meiner Erfahrung lässt sich dies sogar erweitern. Die Beratung hinsichtlich des "Wie" etwas Vereinbartes zu erreichen ist und vor allem, wie es kommuniziert werden soll, rückt immer mehr in den Vordergrund. Einer der Gründe dafür ist, dass der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen hat und die Frage "Warum soll ein Mitarbeiter hier bei uns, anstatt woanders arbeiten" wichtiger geworden ist.

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