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- "Wir sehen sehr gute Wachstumschancen für Landwirte, die sich der Veränderung stellen, offen für neue Technologien sind und neue Geschäftsmodelle umsetzen"
Interview mit Dr. Wilfried Aulbur und Dr. Wilhelm Uffelmann, beide Roland Berger "Wir sehen sehr gute Wachstumschancen für Landwirte, die sich der Veränderung stellen, offen für neue Technologien sind und neue Geschäftsmodelle umsetzen"
CONSULTING.de: Herr Dr. Aulbur, Herr Dr. Uffelmann, in einer Studie weisen Sie auf angstmachende Fakten hin, ich zitiere: "Laut UN-Prognose müssen im Jahr 2050 weltweit rund 10 Milliarden Menschen ernährt werden. Gleichzeitig zerstören aktuelle Bewirtschaftungsmethoden und der Klimawandel fruchtbare Ackerfläche, was wiederum Erträge gefährdet." Doch rasch versprühen Sie als Autoren große Hoffnung mit der These, dass moderne Technologien helfen können, das Problem in den Griff zu bekommen. Zunächst die Frage: Glaubt man beim Schreiben wirklich selbst daran, dass Fortschritt die Menschheit ernährt? Oder muss man als Berater ja schon aus dem Selbstverständnis heraus Optimismus versprühen, weil man ja schon qua Position als Lösungsarchitekt unterwegs ist?
Uffelmann: Es gibt in der Tat große Herausforderungen in der Agrarwirtschaft, die uns alle betreffen. Neben den in unserem Bericht erwähnten Themen spielt u.a. auch die Verfügbarkeit ausreichender Wasserressourcen eine Rolle. Ohne die Reduktion von Wassernutzung in der Landwirtschaft werden wir die benötigten Nahrungsmittel auf keinen Fall produzieren können.
Dr. Wilfried Aulbur: Die Lösung dieser ganzen Probleme muss holistisch angegangen werden. Verbraucher und Landwirte müssen ihre Verhaltensweisen ändern, Logistikketten müssen optimiert und neu gedacht werden, und wir werden auch neue Technologien einsetzen müssen, um eine nachhaltige Bewirtschaftung der Erde und Versorgung der Menschheit sicherstellen zu können.
CONSULTING.de: Ich lese in der Studie auch diesen Satz: "Der technologische Wandel der Agrarindustrie ist weniger im Fokus der Öffentlichkeit, aber genauso tiefgreifend wie die Veränderung der Automobilindustrie". Würden Sie so weit gehen und sagen: Gegen die Frage, ob man alle Menschen ernähren kann, ist die Frage, ob wir elektrisch oder auch autonom zur Arbeit fahren, unfassbar nebensächlich?
Dr. Wilfried Aulbur: Ja, auf jeden Fall. Essen und Trinken sind nicht optional. Es hat sich bereits sehr viel im Bereich der Nutzung der Technologie in der Landwirtschaft getan. Im Bereich Autonomes Fahren, Datenerfassung und -verarbeitung, etc. steht die Landwirtschaft der Automobilindustrie in nichts nach. In Gegenteil: Verschiedene Landmaschinenhersteller haben bereits profitable Geschäftsmodelle entwickelt, nach denen die Automobilindustrie noch sucht. Dies ist auch insofern positiv, da die konsequente Technologisierung die Attraktivität der Landwirtschaft für Arbeitnehmer steigert.
CONSULTING.de: Ihre Kernthese lautet: Die Landwirtschaft sollte mit Investitionen in neue Hard- und Softwarelösungen auf die Anforderungen reagieren. Würden Sie sagen, dass die Landwirtschaft genau dies bislang zu wenig gemacht hat? CONSULTING.de: Kann die Landwirtschaft überhaupt auf genug Beratungskompetenz zurückgreifen? Wer berät überhaupt Landwirte so, dass diese nicht nur die Absatzchancen sehen, sondern auch ein gutes Gefühl für die Risiken bekommen? Nur dann werden Innovationen auch angegangen und umgesetzt.
Dr. Wilhelm Uffelmann: Innovationen in der Landwirtschaft werden dann in der Fläche umgesetzt, wenn sie für den Landwirt Erträge steigern, d.h. das Einkommen steigern und/oder die Kosten drücken oder den Zeitaufwand reduzieren. Technologien, die dies erreichen, werden von Landwirten gut angenommen und erfolgreich eingesetzt. Darüber hinaus kann nur der Gesetzgeber die Umsetzung und Anwendung von Technologien erzwingen. Erfahrungsgemäß führt das dann aber oft zu größeren Kosten für den Endverbraucher.
CONSULTING.de: Sie fordern ein Miteinander von Landwirtschaft und Startups. Wie kommen der Landwirt aus der Eifel mit dem Startup mit Sitz am Prenzlauer Berg zusammen?
Dr. Wilhelm Uffelmann: Startups brauchen ein gutes Verständnis der sogenannten "Use Cases", d.h., der Herausforderungen, die sich für Landwirte bei einer bestimmten Pflanzen- oder Tierart in der Praxis ergeben. Hier wäre eine breite Bereitstellung von Daten für Startups hilfreich, was zielgerichtete Innovationen fördern würde.
Dr. Wilfried Aulbur: Startups sollten gleichzeitig eng mit Maschinenherstellern und/oder Landwirten zusammenarbeiten. Allerdings ist die Zusammenarbeit mit Landwirten nicht immer einfach, da diese eher risikoavers sind. Ein Ansatz sind hier Geschäftsmodelle, die 100% ertragsbasiert sind, d.h., die Startups partizipieren prozentual an dem gesteigerten Geschäftserfolg der Landwirte. Dies ist ein risiko-minimierter Ansatz für Landwirte, der auf der anderen Seite bereits bei einigen Startups zum Erfolg geführt hat.
CONSULTING.de: Sie schreiben in der Studie, dass eine dann digitalisierte Landwirtschaft ein Wachstumsmarkt sei und bis zum Jahr 2021 um jährlich knapp 13 Prozent zulegen wird. 2021 haben wir ja schon bald, wie sieht denn Ihre Einschätzung für die Zeit bis zu den genannten 2050 aus? Hat die Landwirtschaft eine goldene Zukunft?
Dr. Wilhelm Uffelmann: Auf der einen Seite sehen wir sehr gute Wachstumschancen für die Landwirte. Allerdings nur für jene, die sich der Veränderung stellen, offen für neue Technologien sind und neue Geschäftsmodelle umsetzen. Auf der anderen Seite führen der technologische Umbruch und die damit verbundenen Investitionen aus unserer Sicht zu einer weitergehenden Konsolidierung und Professionalisierung der landwirtschaftlichen Betriebe. Es gibt also eine Zukunft für die Landwirtschaft, allerdings werden nicht alle Betreibe an dieser Zukunft partizipieren.
CONSULTING.de: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tilman Strobel
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