Globeone: "Purpose-Studie" zur Wirkung von Claims "Wir sind die Besten und Größten – aber was hat der Kunde davon?"

Cristiano Ronaldo wirkt egozentrisch, ist aber ein sehr guter Fußballer. Viele deutsche Firmen neigen ebenfalls zu Egozentrismus und das ist überhaupt nicht gut. Das sagt Dr. Niklas Schaffmeister, er ist Managing Partner bei Globeone, die eine Studie zur Wirkung von Markenclaims durchführten.

Niklas Schaffmeister, Globeone

Niklas Schaffmeister, Globeone

Claims dienen als wichtiger Indikator dafür, ob und wie die Unternehmen ihren "Purpose" – also den höheren Unternehmenszweck – kommunizieren. Dabei geht es um die entscheidende Frage, warum ein Unternehmen überhaupt existiert und welchen Nutzen es für die Allgemeinheit stiften kann. Viele Firmen sprechen über das eigene Produkt und versäumen dabei oft, durch den eigentlichen Unternehmenszweck die Allgemeinheit für die Unternehmung zu faszinieren.  Die vorliegende Studie analysierte die offiziellen Markenclaims der insgesamt 238 führenden Unternehmen in Deutschland, der Schweiz, den USA sowie China und Brasilien. 

CONSULTING.de: Herr Dr. Schaffmeister, nennen Sie doch mal bitte als Beispiel einen Claim, den Sie aber so richtig daneben finden, was die Egozentrik betrifft.

Schaffmeister: Das ist natürlich ein Stück weit eine Frage des Zeitgeschehens. Ein Claim wird ja nicht im luftleeren Raum entwickelt, sondern muss immer auch im Rahmen des gesellschaftlichen Kontextes gesehen werden, in den die Unternehmen eingebettet sind. Hierzulande bestimmt zum Beispiel seit fast drei Jahren die Dieselkrise die Schlagzeilen, die bekanntlich zu einem massiven Vertrauensverlust unter den deutschen Verbrauchern geführt hat. Ich denke, man kann deshalb hinter die Claims einiger deutscher Automobilhersteller zumindest ein großes Fragezeichen setzen. Audi zum Beispiel positioniert sich seit Jahren mit dem Claim "Vorsprung durch Technik", der ganz klar das Unternehmen selbst und seine herausragenden Ingenieursfähigkeiten feiert. Angesichts des schlagzeilenträchtigen Verhaltens und der mangelnden Aufklärungsbemühungen im Abgasskandal hatte Audi aber offensichtlich nicht den Vorsprung für die Gesellschaft im Sinn. Und das rächt sich jetzt natürlich. Der inzwischen abgesetzte Volkswagen-Claim "Das Auto." fällt in eine ähnliche Kategorie. Wir sind die Besten und Größten – aber was hat der Kunde davon? Was nützt es der Gesellschaft? Die deutsche Ingenieurskunst, die sonst als Garant und Aushängeschild der deutschen Automobilindustrie gilt, bekommt im Kontext des Abgasskandals auf einmal ein zweites, hässliches Gesicht. Interessanterweise ist die Haltung, die in diese Krise geführt hat, deutlich in den Unternehmensclaims reflektiert.

CONSULTING.de: Und jetzt ein löbliches Gegenbeispiel.

Schaffmeister: Wenn wir kurz in der Automobilbranche bleiben, ist BMWs "Sheer Driving Pleasure" weitaus weniger problematisch, weil es hier emotionaler zugeht und der Kern-Benefit kommuniziert wird, den die Marke dem Kunden verspricht. Allerdings bleibt der gesellschaftliche Nutzen außen vor. Das Positionierungsstatement der Telekom stellt hierfür hingegen ein gutes Beispiel dar: "Life is for sharing." Dieser Claim ist nicht vom Produkt, sondern vom Menschen her gedacht und betont mit dem Aspekt des Teilens nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch den Zugang zur digitalen Welt. So werden nicht einzelne Kunden angesprochen, sondern der Menschen ins Zentrum der Positionierung gerückt und eine Zielgruppe umrissen, die keinen ausschließt. Am Ende kann sich jeder angesprochen fühlen, der die Ziele und das Anliegen des Unternehmens unterstützt, womit die Telekom ihre gesellschaftliche Relevanz in einer zunehmend digitalisierten Welt unterstreicht. Noch dazu erfüllt der Claim ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium: Er greift den Branchenhintergrund der Telekom auf. Es wird ja immer wieder die Sorge artikuliert, dass die Digitalisierung vor allem zulasten vieler Menschen geschieht. Mit ihrem Claim setzt die Telekom hier bewusst einen Kontrapunkt, der zeigt: Eine bessere Zukunft nutzt die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Menschen miteinander zu verbinden.

CONSULTING.de: Was ist das Problem an Claims, bei denen es fast nur um die Firma oder deren tolle Produkte geht? Immerhin möchten die Firmen ja auf sich aufmerksam und die Leute neugierig machen.

Schaffmeister: Aus unsere Analyse lässt sich ableiten, dass Unternehmensclaims, die sehr eng ans Produkt angelehnt sind, in den führenden Wirtschaftsnationen inzwischen aus der Mode gekommen sind. Produkte und Dienstleistungen ändern sich schnell und mitunter wirkt es etwas kleinkariert, ein Unternehmen auf einem sehr spezifischen Produktnutzen zu positionieren. Ein Claim sollte ja die Essenz eines sehr komplexen Gesamtkonstrukts prägnant auf den Punkt bringen und trotzdem eine gewisse "Haltbarkeit" haben. Wir sehen das auch nicht grundsätzlich problematisch, wenn sich Unternehmen selbst thematisieren, solange sie trotzdem Bezug darauf nehmen, was für einen Unterschied das für die Kunden, Zielgruppen oder die Gesellschaft insgesamt macht. Es geht also schon um die große Frage nach dem "Warum gibt es uns?" Aus strategischer Sicht dreht es sich darum, Unternehmen weitere Positionierungsoptionen aufzuzeigen, mit denen sie sich von der Konkurrenz absetzen können. Und dazu reflektieren wir auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, die schon jetzt von immer größerer Bedeutung für Marken sind. Die Millennials machen allein in Deutschland bis 2022 rund ein Viertel der Bevölkerung aus. Angehörige dieser demographischen Schicht sind wieder stärker am Gemeinwohl orientiert und sowohl im Beruflichen wie im Privaten auf persönliche Erfüllung bedacht. Das ist ein konsumkräftiges Segment, in der Regel gut ausgebildet und gerade dabei, beruflich voll durchzustarten. Aber in ihrer Rolle als Konsumenten wie als Arbeitnehmer wollen sie auf einer anderen, emotionaleren Ebene angesprochen werden als die Babyboomer. Und dem tragen Marken idealerweise durch eine Positionierung Rechnung, die sich eben nicht nur um sich selbst dreht. Also kurz: Es geht tendenziell vom "wie toll bin ich" zum "warum gibt es mich" und "was kann ich beitragen?"

CONSULTING.de: Ist es nicht vielleicht auch alles ziemlich egal? Wird dem Claim nicht zu viel Bedeutung zugemessen?

Schaffmeister: Ich glaube nicht, dass das egal ist, und zwar aus zwei Gründen. Wenn Sie es als Unternehmen nicht schaffen, die Essenz ihrer Positionierung auf den Punkt zu bringen und in einem starken Satz zu sagen, wofür sie stehen, dann haben sie ein Problem. Es geht ja nicht nur um den Claim, sondern um eine starke und aussagekräftige Positionierung, die dahintersteht. Wenn ein Claim dann schräg ist, dann ist das ein sichtbarer Indikator dafür, dass mit der Positionierung insgesamt etwas nicht stimmt. Zweitens erfüllen unserer Erfahrung nach Claims gerade in sehr großen Organisationen eine wichtige Orientierungsfunktion für die Mitarbeiter und sind auch ein starkes Signal nach außen. Dabei bildet ein guter Claim eine Symbiose mit dem Markennamen, ist im Kontext relevant und brennt sich in das Gedächtnis der Zielgruppen ein. Interessanterweise haben auch nur 27 Prozent der untersuchten Unternehmen keinen Corporate Claim, wie wir mit unserer aktuellen Studie "No Purpose, No Brand!" zeigen konnten. Für die Mehrheit der Unternehmen ist der Corporate Claim offensichtlich nach wie vor ein wichtiges Instrument in der Positionierung.

CONSULTING.de: Vielen Dank!

Das Interview führte Tilman Strobel

 

 

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