Interview mit Matthias Kässer, McKinsey "Wir werden Gewinner und Verlierer sehen"

Matthias Kässer, Partner im Münchener Büro von McKinsey
CONSULTING.de: Herr Kässer, in der Studie steht, dass die Einführung von künstlichen Intelligenzsystemen einen "Renditeturbo" ermöglicht. Sie sprechen von vier entscheidenden Erfolgsfaktoren für die KI-Transformation. Was passiert eigentlich mit Unternehmen, die an diesen Punkten schwächeln? Wird es angesichts dieses Umbruchs auch Pleiten geben?
Kässer: Die künstliche Intelligenz – im Fall der Autoindustrie vor allem das maschinelle Lernen – ist eine Technologie, die der gesamten Autoindustrie zur Verfügung steht. Denn viele Angebote – Cloud-Speicher, Algorithmen, komplette IT-Lösungen – werden von Drittanbietern bereitgestellt. Damit hat jeder Autohersteller grundsätzlich Zugriff auf diese Vorteile; muss sie aber natürlich spezifisch für sein Unternehmen anpassen. Unsere Studie zeigt, dass durch KI zusätzlich mindestens 1,3 Prozentpunkte mehr Produktivität möglich sind – ein Quantensprung im Vergleich zu den typischerweise rund 2 Prozent, die die Branche jedes Jahr besser wird. Differenzierend kann KI dann vor allem mittel- bis langfristig bei neuen Geschäftsmodellen wirken: Welcher Anbieter schafft es als erster, KI-basierte Robo-Taxis auf die Straße zu bringen? Welcher Premiumanbieter wird seinen Kunden ein auf KI gestütztes überlegenes Nutzererlebnis bieten? An dieser Stelle werden wir natürlich auf lange Sicht Gewinner und Verlierer sehen.
CONSULTING.de: Künstliche Intelligenz gilt als das "next big thing" für den Unternehmenserfolg auch in der Automobilindustrie. Wie sehen Sie die deutschen Autobauer in diesem Bereich aufgestellt?
Kässer: Die deutsche Autoindustrie ist gut aufgestellt und legt einen großen Fokus auf diese Technologie. Allerdings sind auch neue Fähigkeiten gefordert, die ein Autohersteller bislang nicht unbedingt brauchte: beispielsweise ein gleichberechtigtes Ökosystem zu managen, in dem auch Technologieunternehmen ihren Platz haben. Oder die zahlreichen in der Produktion, im Fahrzeug und im Vertrieb vorhandenen Daten systematisch zu sammeln und auszuwerten – natürlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.
CONSULTING.de: In Ihrer Studie arbeiten Sie vor allem die Renditevorteile für Unternehmen heraus. Hört sich für mich so an, als ob es heftige Beschäftigungseffekte geben könnte. Was meinen Sie dazu?
Kässer: Die Autoindustrie steht aktuell vor der Herausforderung, an vielen Stellen gleichzeitig massiv investieren zu müssen. Neue Antriebstechnologien wie die Elektromobilität, neue Geschäftsmodelle wie Mobilitätsdienstleistungen und die Forschung am autonom fahrenden Auto – das alles erfordert gigantische Investitionen. Und das, während der Verbrennungsmotor zur Einhaltung der CO2-Ziele weiterhin optimiert werden muss. Die Produktivitätssteigerungen durch KI sind daher eine Möglichkeit, Kosten einzusparen und dadurch gleichzeitig in neue Trends zu investieren.
CONSULTING.de: Selbstfahrende Autos, Smart Homes und Deep Learning werden nicht nur positiv gesehen. Wie stehen Sie selbst zum Thema Künstliche Intelligenz im Alltag? Würden Sie ein selbstfahrendes Auto nutzen?
Kässer: Es ist vollkommen richtig – und wichtig – dass die zunehmende Einführung von künstlicher Intelligenz in immer mehr Lebensbereiche eine Diskussion auslöst. Nämlich darüber, an welchen Stellen KI sinnstiftend ist; und an welchen Stellen überflüssig oder gar unerwünscht. Bleiben wir beim Auto: Unsere Analysen zeigen, dass 47 Prozent der Befragten keine Bedenken hätten, ihre Familien von einem selbstfahrenden Auto chauffieren zu lassen. Der Gedanke, sich nicht mehr durch den Stop-and-Go-Verkehr in der Stadt quälen zu müssen oder im Stau auf der Autobahn zu stehen, ist für viele – mich eingeschlossen – sehr reizvoll.
CONSULTING.de: Vielen Dank für das Gespräch!
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