Die #BeraterBeraterin Wird die Mischung aus Rezession und KI zu etwas Toxischem?

Polykrise, Inflation, KI. Das alles führt zunehmend zu Unsicherheit bei Beratungshäusern. Beraterberaterin Susanne Mathony analysiert die kürzlich erschienene Studie des britischen Think Tanks Source und zeigt auf, wie man in der aktuellen Situation kühlen Kopf bewahren kann und sein Business sicher durch die Wirrungen der Stunde steuert.

Vermischen sich Rezession und KI zu etwas toxischem für die Beratungsbranche? (Bild: picture alliance / Zoonar | sergey nepsha)

Disruptionen verursachen Anspannung. Oft auch Verunsicherung. Das erlebe ich aktuell bei einigen Klienten im Consulting, die sich in der Polykrise fragen:
Sind die Entlassungen bei Wettbewerbern Ausreißer? Oder ist es erst die Spitze des Eisbergs?

Wenn sich selbst bei BCG das Umsatzwachstum von 25 Prozent in 2021 auf 11 Prozent in 2022 mehr als halbiert: Wird die Mischung aus Rezession und KI zu etwas Toxischem?

Als Fan von „Anchored Intelligence“ sind Studien meine Pflichtlektüre – so auch die aktuelle Studie des internationalen Think Tanks Source: „The polycrisis and professional services: Where are we now?”.

Einige der Thesen daraus:

  • Das Gefühl, dass es sich um eine langanhaltende Krise handelt, vermiest CEOs und CXOs die Stimmung. Und das senkt die Kauflaune für Beratungsleistungen.
  • Ein solches Business Sentiment hat Konsequenzen für Unternehmensberatungen und WP-Gesellschaften. Nicht nur für Wachstum und Sales, sondern auch für die Marketers.

Hier vier zentrale Ergebnisse.

Ergebnis 1: 53 Prozent der Entscheidungen, Beratende an Bord zu holen, treffen CEOs und CXOs jetzt selbst

Pre-COVID trafen CEOs und CXOs etwa ein Viertel aller Entscheidungen über den Beratereinsatz. Den Rest entschieden Department-Heads sowie die Ebenen eins bis zwei unter Vorstand. Nun aber fällt mehr als jede zweite Kaufentscheidung (53 Prozent) auf der CXO-Ebene.

Zum einen ist diese Machtverschiebung nach oben die Reaktion darauf, dass sich große Projekte über immer mehr Abteilungen erstrecken. Zum anderen zeigt es die zentrale Rolle von Consultants. Trusted Advisors auf Augenhöhe sind gefragt.

Was leitet sich für Marketing & Kommunikation daraus ab?

Wer nicht redet, wird nicht gehört“, meinte Helmut Schmidt. Das gilt auch für Beratende, die von ihrer senioren Zielgruppe gehört, gesehen und gekauft werden wollen.

Aber: Seit der Pandemie ist die Sichtbarkeit massiv erodiert. Selbst von exzellent positionierten, Top-Beratungsmarken hat sich die Sichtbarkeit von 2020 bis 2022 halbiert.

Daher lautet die Frage für Marketing- und Vertriebsstrategen:

  • Wissen wirklich alle potenziellen Klienten, wer wir sind, und was unser USP ist?
  • Spielen wir im Relevant Set, wenn Unternehmen nach einer bestimmten Expertise suchen?

Der Pain Point: Die Korrelation zwischen Relevanz und Sichtbarkeit

Consultants und Wirtschaftsprüfer von hoher Relevanz genießen üblicherweise eine entsprechende Sichtbarkeit. Doch inmitten des medialen Rauschens wird nur derjenige wahrgenommen, der wirklich etwas zu sagen hat. Das erfordert mehr als Mainstream-Wahrheiten.

Aus dieser Sichtbarkeitskrise kommen nur diejenigen, die in ihrer Marketingstrategie und -taktik ihre wichtigste Buyer Persona – CEOs und CXOs – konsequent im Blick haben. Von Tonalität und Thesen bis hin zu Intention und Inhalten spielt die Musik auf der Top-Ebene. Dort gehören die Marketingziele verortet.

Ergebnis 2: Nur noch 56 Prozent der Unternehmen planen höhere Beratungsbudgets

Laut der Source-Studie planen 56 Prozent der Unternehmen höhere Beratungsbudgets für die nächsten zwölf Monate. Aber sie beziffern nicht, wieviel mehr. Zudem liegt die Kauflust damit deutlich niedriger als in den letzten zwei Jahren.

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Leider sind Marketers kein Obi Wan: Sie haben kein Lichtschwert gegen sinkende Beratungsbudgets. Aber sie können für das eigene Haus ein Stück vom Kuchen erkämpfen.

Wichtig sind konkrete Lösungen zum Streitthema „Return on Consulting“ (ROC). Aktuelle Bücher wie Die Berater-Republik zeigen: Hier liegt weiter ein großes Fragezeichen. Die Antwort darauf ist maximale Transparenz.

Wie beschreibt es meine #MBS-Partnerin Eva Manger-Wiemann der Metaberatung CardeaVertrauen auf Augenhöhe schafft man mit nachhaltiger und nachgewiesener Kompetenz und Referenzen, die einen Anstieg des ROC ‚beweisen‘. Dies muss durch Marketing und Positioning deutlich werden.“

Je klarer der Beleg des eigenen Added value – egal ob mit Case Studies oder Aussagen in den Leitmedien – umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, im Relevant Set zu bleiben. Wer sich als Lösungsgarant spitz und glaubhaft positioniert, hat weiter gute Marktchancen. Messerscharfer Fokus kombiniert mit meinem Mantra „Speed, Speed, Speed!“ bleibt auch in der Polykrise das „Live-or-Die“-Kriterium.

Ergebnis 3: Für jedes fünfte Unternehmen ist ein ehrgeiziger Vorstand ein zentraler Faktor für die Beraterbeauftragung

Ambitionierte Unternehmen nehmen weitaus häufiger Beratungsleistungen in Anspruch als solche, deren Ziele unverändert geblieben sind. Für Consultants ist das eine Steilvorlage.

Aber laut der Source-Studie gibt es einen Haken:
In Q1/2023 beklagen nur 3 Prozentder Unternehmen, es fehle an einem effektiven Vorstandsteam. Nur drei Monate später zeigt sich ein Sprung um 19Prozentpunkte. Aktuell beklagt knapp jedes vierte Unternehmen (22 Prozent): Unser Vorstand reagiert zu langsam auf die Polykrise.

An einer Verschlechterung der eigenen wirtschaftlichen Lage liegt es offensichtlich nicht. Denn als negativ betroffen bezeichnen sich nur noch 40 Prozent der Unternehmen. Der Höchststand lag bei 60 Prozent in Q4/2022.

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Zwar können Marketers nichts an den Führungsfähigkeiten ihrer Klienten und Prospects tun. Aber sie können zumindest zu deren Empowerment beitragen. Schließlich schätzen CEOs und CXOs den wertvollen externen Blick. Hausintern haben sie nur begrenzte Möglichkeiten, ungeschminkt zu diskutieren.

Daher sollten 1:1-Gespräche und vertrauliche Fireside Chats massiv hochgefahren werden. Wer den persönlichen Austausch mit Vorständen forciert und wieder intensiv reist, ist im Vorteil.

Starker Content als Backstage-Pass zur frühen Priorisierungs-Phase bleibt im Kaufprozess wichtig.

Investments in Content beweisen auch in der Polykrise ihren ROI. Denn: 48 Prozent der Entscheider haben einen Auftrag erteilt bzw. 53 Prozent das Auftragsvolumen erhöht, wenn sie das Thought Leadership überzeugte.

Last but not least: Marketers sollten die Regeln des Powerplays beherzigen. Schließlich setzen Vorstände Berater auch dazu ein, eigene Machtansprüche oder große Change-Prozesse durchzusetzen. Mit dem Gütesiegel starker Beratungsmarken erhalten Projekte eine gesteigerte Legitimation. Zudem erhöht es die Erfolgswahrscheinlichkeit der Implementierung.

Ergebnis 4: Das Trust-Dilemma: Nur 80 Prozent der Unternehmen vertrauen der wirtschaftlichen Lage

Bei rund 80 Prozent der Unternehmen stagniert das Vertrauen. Der Grund? Das Gefühl, dass die Polykrise gekommen ist, um zu bleiben. Aktuell gehen laut der Source-Studie 67 Prozent der Unternehmen davon aus, dass die Krise länger als drei Jahre dauert. In Q1 dachten das nur 56 Prozent.

Der komplexe „Mehrfrontenkrieg“ belastet. In der Pandemie und in der Frühphase des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine war der Fokus verhältnismäßig klar. Noch in Q1/2023 herrschte in Unternehmen ein breiter Konsens über die Schwerpunkte der Investitionen:

  • Verbesserung der Produktivität
  • digitale Transformation
  • effektiveres Risikomanagement.

In Q2/2023 haben sich die Prioritäten jedoch egalisiert.

Was leitet sich für Marketing und Kommunikation daraus ab?

Marketers sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert: CXOs, die jeden zweiten Beratereinsatz verantworten, sind offensichtlich unsicher über ihre Prioritäten.

Unsicherheit aber senkt die Kauflaune. Daher sollten sich Professional Services-Player als starker „Nordstern“ positionieren.

Ausschließlich makroökonomische Rahmenbedingungen zu beschreiben, langt nicht. Die kennen Unternehmen selbst nur zu gut. Gefragt sind etwa hochaktuelle, zahlengetriebene Whitepaper mit einem Vorlauf weniger Wochen. Meinung und Haltung sind vonnöten. Denn nur die Berater werden jetzt gekauft, die Klarheit und Sicherheit versprechen.

Wer die Fokus-Frage „Welches spezifische Problem löse ich für genau welche Zielgruppe, und wie genau machen wir das?“ präzise beantwortet, hat im Trust-Dilemma ein As im Ärmel.

Ein Aussitzen der Polykrise mit „same same“-Strategien ist unmöglich. Weder für Berater noch ihre Marketers. Wer „Nordstern“ sein und beauftragt werden will, muss mit innovativen Sichtbarkeitsstrategien aus der Deckung.

 

Über die Person

Susanne Mathony, Geschäftsführerin von Mathony Brand Strategists. Die internationale Marketing- und Kommunikationsberaterin blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte Führungserfahrung im Bereich Professional Services zurück. Auf EMEA- und globaler Ebene arbeitete sie u.a. für Accenture, AlixPartners, Strategy& sowie Russell Reynolds Associates. Die ausgebildete Journalistin und Politologin begann ihre Karriere in einem Think Tank in Washington.

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