#1Blick vom Beratungsforscher Wissen, wie es wirkt? Die einen wollen nicht, die anderen können nicht

Henry Ford wird das Bonmot zugeschrieben, dass die Hälfte seiner Ausgaben rausgeschmissenes Geld seien – er wisse nur nicht, welche Hälfte. Ford meinte die Werbung. Wie aber schaut es mit den 44 Milliarden Euro aus, die 2022 für Consultants ausgegeben wurden? Noch ungewisser als vor rund 100 Jahren bei Ford, behauptet dieser #1Blick von Professor Deelmann.

Welche Ausgaben sind überflüssig? Die Thematik ist noch genauso aktuell wie vor 100 Jahren zu Zeiten von Henry Ford. Im Bild: Ford besucht im Jahr 1942 die Werkstatt in Detroit, in der er sein erstes Auto baute. (Bild: picture alliance/AP Photo | Uncredited)

44 Milliarden einfach so ausgegeben!?

44 Milliarden Euro: Das ist die Summe, die Beratungskunden in 2022 ausgegeben und Consultants dementsprechend eingenommen haben. Für das laufenden Jahr kann sich der BDU sogar vorstellen, dass das Volumen auf 50 Milliarden Euro ansteigt. Allerdings: Über die Wirkung der Gelder ist kaum etwas bekannt. 170.000 Consultants und einige zehntausend Beschäftigte im Backoffice werkeln also vor sich hin, ohne dass sie über den (vielleicht) positiven Effekt ihrer Arbeit gesichert Auskunft geben könnten. Und auch die Kunden wissen kaum konkret, was ihnen der Beratereinsatz bringt.

Zugegeben, es gibt einzelne Consultants, die den Erfolg ihrer Arbeit ganz gut messen können. Und auch in manchen Projektsituationen können einige Kunden Ergebnisse sehen, bewerten und spezifischen Beratungsinterventionen zuschreiben.

Dickes Brett

Und ebenfalls zugegeben: Die Erfolgsmessung als solche ist keine triviale Angelegenheit, sondern ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Das Ziehen der Verantwortungslinien von Consulting-Empfehlungen zu ihren direkten Auswirkungen ist oft nur schwer durchführbar und erscheint häufig als Ding der Unmöglichkeit. Zum einen werden die Empfehlungen selten 1:1 als Blaupause für konkrete Handlungen genutzt. Zudem beeinflussen oft auch vorher unbeteiligte Dritte den späteren Gang der Dinge. Und schließlich wird die Messung schwieriger, je mehr Zeit zwischen einem Beratungsprojekt und sichtbaren Ereignissen der Umsetzung liegt.

Die Evaluation ist also nicht einfach. Aber dies bedeutet nicht, dass die sprichwörtliche Flinte sofort ins Korn zu werfen ist. Auch die Ampelregierung hat dies erkannt und formuliert im Koalitionsvertrag, dass sie schrittweise „den Bundeshaushalt auf eine ziel- und wirkungsorientierte Haushaltsführung umstellen“ will: Irgendwann wird dies dann auch die Ausgaben für Beratung treffen.

Aber wenn sich eine gesamte Branche größtenteils im Blindflug befindet, dann ist das erschreckend.

Das sollte dann wohl auch als deutlich kritischer wahrgenommen werden, als die regelmäßigen Empörungsstöße über die Höhe der Beratungsausgaben, etwa die des Bundes (siehe hier oder hier).

Nicht wollen, nicht können

Den einen mag die Herausforderung bei der Evaluation sogar sehr gelegen kommen. Warum sollen sie ihre Leistung messen, wenn sie sich dadurch mutwillig der Gefahr aussetzen, kritisiert werden zu können, weil ihre teure Beratungsleistung doch nicht das Ergebnis bringt, welches das hohe Honorar rechtfertigen würde?

Sie haben oft kein wirkliches Interesse und wollen nicht.

Und den anderen mag eine Messung auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, aber sie stoßen beim zweiten Blick an ihre eigenen (organisatorischen) Grenzen und auf die Schwierigkeiten der Messbarkeit. Verteilte Verantwortlichkeiten und der Mangel an interner Steuerungskompetenz hilft in Verbindung mit einem schlechten Organisationslernen auch nicht weiter, um sich nachhaltig zu professionalisieren.

Ihnen mangelt es häufig an der Kompetenz und sie können einfach nicht.

Input, Output und Wirkung

Es ist also offenbar schlicht kaum möglich, rudimentäre betriebswirtschaftliche Kennzahlen zu ermitteln, um die Arbeitsergebnisse einer (fast) 50-Milliarden-Euro-Branche zu messen.

  • Der Input kann meist noch mit Mühe zusammengetragen werden. Das mag die Höhe der Beratungsausgaben einzelner Kunden sein; klingt einfach, ist es aber nicht – probieren Sie es aus!
  • Beim Output wird’s schon schwieriger: Was soll gemessen werden? Die Anzahl der geleisteten Personentage? Die Menge der Powerpoint-Folien?
  • Outcome und Impact ­– das verbirgt sich hinter der oben kurz angesprochenen Wirkungsorientierung! – zu ermitteln ist in vielen Fällen heute ein Ding der Unmöglichkeit.

Zusammengefasst bedeutet dies, dass die Produktivität von Consultants zurzeit nicht umfassend ermittelt wird – ganz zu schweigen von ihrer Wirtschaftlichkeit. Kleine Randbemerkung: Unter anderem dieses Manko führt dazu, dass Unterhaltungen über die Beratungsprofession oft nur Stammtischniveau haben, wie etwa die Kommentarspalten unter Zeitungstexten zeigen; siehe beispielsweise hier.

Happy Sheets – Nicht viel, aber ein Start

Das Höchste der Bewertungsgefühle sind in vielen Fällen so genannte Happy Sheets, simple Kurzfragebögen, wie man sie auch von Autobahn-Raststätten kennt. Sie stellen etwa die Frage: „Wie zufrieden waren Sie mit unseren WC / unserem Projektteam?“ und lassen als Antwort zu:  :) oder :/ oder :(.

Bevor sich jetzt allerdings jemand lustig macht: Diese Happy Sheets sind durchaus ein guter Start! Denn zumindest denkt jemand über die Zufriedenheit mit den durchgeführten Beratungsinterventionen nach und nimmt eine Eindrucksbewertung vor. Und wenn der Bewertungsball rollt, dann kann man sich in fortgeschrittenen Stufen auch über Lernerfolge, Verhaltensänderungen und schließlich finanzielle Auswirkungen von Projekten Gedanken machen.

Und irgendwann werden die einen können und die anderen auch wollen. Und wenn beide Seiten wollen und können – dann sind wir einen Riesenschritt vorangekommen!

 

Über die Person

Professor Thomas Deelmann arbeitet seit über 20 Jahren als, mit, für und über Berater. In seiner consulting.de-Kolumne #1Blick kommentiert er Marktentwicklungen aus der Vogelperspektive und schaut hinter die Kulissen der Arbeit von Beratern und ihren Kunden. Er lehrt an der HSPV NRW, twittert @Ueber_Beratung und berät bei strategischen Fragen. Als Buch erschienen von ihm das Sachbuch „Die Berater-Republik – Wie Consultants Milliarden an Staat und Unternehmen verdienen“ (2023, 256 Seiten,... mehr

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